Herman, Nikolaus – Eine Betrachtung des Todes

Mit Todesg’danken gehe ich um,
Denn er sich stets dreht um mich hrum
Und tritt mir nach gar auf dem Fuß,
All Stund ich seiner warten muss.

2. Den Bogen hat er schon gespannt
Und hat den Pfeil in seiner Hand.
Er nimmt des Siegers eben wahr,
Wenn er ist ausgeloffen gar.

3. Denn wird er mir lassen kein Frist,
Ich sei wohl oder üb’l gerüst;
Bald er beginnt zu klopfen an,
Ist ihm die Tür schon aufgetan.

4. Kein Bürgen er mir setzen will,
Steckt mir auch kein gewisses Ziel.
Wenn er kommt und spricht nur ein Wort,
So muss ich auf und mit ihm fort.

5. Drum, o mein liebe Seel, dich rüst,
Ob du vom Leib heut scheiden müsst.
Mach dich gerüst und sei bereit;
Lass dir den Tod nicht machen Leid.

6. Leg ab, mein Leib, die schwere Last,
Drin du jetzt bist nur wie ein Gast;
Du musst doch aus dem alten Haus
Ziehen, da wird nicht anders aus.

7. Doch aus dem armen Madensack
Wird dir Christus am jüngsten Tag
Ein Haus bauen, spannen und klar,
Drin wirst du wohnen immerdar.

8. Denn wollen wir beide zugleich
Einwohner sein im Himmelreich,
Und ewig sehen Gottes Sohn,
Mit Lust alls nach seim Willen tun.

9. Wie wir erstlich geschaffen sein
Von aller Sünd pur, lautr und rein,
Werd‘ wir sein fromm, grecht, klug und weis,
Wie Adam war im Paradeis.

10. Mein liebe Seel, drum sei getrost,
Christ unser Herr hat uns erlost.
Scheid nur willig von diesem Leben,
Gott wird uns viel ein bessers geben.

Amen.