Walther, Johann – Vorgefühl der himmlischen Freude

Herzlich thut mich erfreuen
Die liebe Sommerzeit,
Wenn Gott wird schön verneuen
Alles zur Ewigkeit.
Den Himmel und die Erden
Wird Gott neu schaffen gar;
All‘ Creatur soll werden
Ganz herrlich, hübsch und klar.

Kein‘ Zunge kann erreichen
Die ewig‘ Zierheit groß;
Man kann’s mit nichts vergleichen,
Die Wort sind viel zu bloß.
Drum müssen wir das sparen
Bis an den jüngsten Tag;
Dann werden wirs erfahren,
Was Gott ist und vermag.

Da werden wir mit Freuden
Den Heiland schauen an,
Der durch sein Blut und Leiden
Den Himmel aufgethan,
Die lieben Patriarchen,
Propheten allzumal,
Die Märtrer und Apostel
Bey ihm, ein große Zahl.

Die werden uns annehmen
Als ihre Brüderlein,
Sich (al. und) unser gar nicht schämen,
Uns mengen mitten ein;
Wir werden alle treten
Zur Rechten Jesu Christ,
Als unsern Gott anbeten,
Der unsers Fleisches ist.

Er wird zur rechten Seiten
Uns freundlich sprechen zu:
Kommt, ihr Gebenedeyten,
Zu meiner Ehr und Ruh‘!
Nu sollet ihr ererben
Mein’s lieben Vaters Reich,
Welch’s ich euch that erwerben;
Drum steht eu’r Erbe (al. seyd ihr Erben) gleich.

Er wird uns frölich leiten
Ins ewig‘ Paradeis,
Die Hochzeit zubereiten
Zu seinem Lob und Preis;
Da wird seyn Freud‘ und Wunne
In rechter Lieb‘ und Treu‘
Aus Gottes Schatz und Brunne,
Und täglich werden neu.

Da wird man hören klingen
Die rechten Saitenspiel;
Die Musica wird bringen
In Gott der Freuden viel;
Die Engel werden singen,
All Heil’gen Gottes gleich,
Mit himmelischen Zungen
Ewig in Gottes Reich.

Kein Ohr hat je gehöret,
Kein menschlich Aug‘ gesehn
Die Freud‘, so den’n bescheret,
Die Gott ihm ausersehn;
Sie werden Gott anschauen
Von hellem Angesicht,
Leiblich mit ihren Augen
Das ewig wahre Licht.

Also wird Gott erfüllen
Alles durch seine Kraft,
Wird alles seyn in allen
Durch seinen Geist und Saft,
Wird sich selbs ganz zu eigen
Uns geben völliglich,
Und all sein Gut uns zeigen
In Christo seliglich.

Mit Gott wir werden halten
Das ewig‘ Abendmahl;
Die Speis wird nicht veralten
Auf Gottes Tisch und Saal;
Wir werden Früchte essen
Vom Baum des Lebens gut,
Vom Brunn des Lebens Flüsse
Trinken zugleich mit Gott.

Wir werden stets mit Schalle
Für Gottes Stuhl und Thron
In (al. Mit) Freuden singen alle
Ein neues Lied gar schon:
Lob, Ehr‘, Preis, Kraft und Stärke
Gott Vater und dem Sohn!
Des heilgen Geistes Werke
Sey Lob und Dank gethon!

Frölich ich pfleg‘ zu singen,
Wenn ich solch‘ Freud‘ betracht,
Und geh‘ in vollen Sprüngen;
Mein Herz für Freuden lacht.
Mein G’müth thut sich hoch schwingen
Von dieser Welt mit Macht,
Sehn mich zu solchen Dingen,
Der Welt ich gar nicht acht‘.

Drum wollen nicht verzagen,
Die jetzt in Trübsal seynd,
Und die die Welt thut plagen
Und ist ihn’n spinnenfeind;
Sie wollen ihr Kreuz tragen
Mit Freuden in Geduld,
Auf Gottes Wort sich wagen,
Trösten sich seiner Huld.

Wer Gottes Reich und Gaben
Mit Christo erben will,
Der muß hie Trübsal haben,
Verfolgung leiden viel.
Das soll ihn aber laben,
Es währt ein kleine Zeit;
Der Held (al. Herr) wird bald daher traben,
Sein‘ Huld ist g’wiß nicht weit.

Indeß die Welt mag heucheln,
Gott spotten immerhin,
Um Genießes willen schmeicheln,
Klug seyn in ihrem Sinn,
Ihr Sachen listig beugen
Nach dem der Wind her weht,
Aus Forcht der Wahrheit geschweigen,
Wie jetzt im Schwange geht.

Man laß die Welt nur toben
Und redlich laufen an:
Es sitzt im Himmel droben
Gottlob ein starker Mann;
Er wird gar bald aufwachen,
Der ewig strafen kann,
Der Richter aller Sachen,
Er ist schon auf der Bahn.

Der Bräutigam wird bald rufen:
Kommt, all ihr Hochzeitgäst‘!
Hilf, Gott, daß wir nicht schlafen,
In Sünden schlummern vest,
Bald han in unsern Händen
Die Lampen, Oel und Licht,
Und dürfen uns nicht wenden
Von seinem Angesicht!

Hiemit will ich beschließen
Das frölich‘ Sommerlied.
Es wird gar bald aufsprießen
Die ewig‘ Sommerblüth‘,
Das ewig‘ Jahr herfließen;
Gott geb‘ in diesem Jahr,
Daß wir der Frücht‘ genießen!
Amen, das werde wahr.

Eine andere – und kürzere – Fassung habe ich bereits im Jahr 2013 hier aufgenommen. Ein Teil dieses Liedes findet sich auch in diesem Lied.