Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Weihnachts-Harmonie.

Die wahre Gnadensonne
Geht auf zu unsrer Wonne,
Und macht ein Heer von Sündern
Zu frohen Lichteskindern.

Der Erst- und Eingeborne
Besuchet uns Verlorne,
Hat Seinen Schwur gehalten:
Drum laßt Ihn immer walten!

Der HErr ist in dem Orden
Der Sünder Mensch geworden,
Und gleich doch ohne Sünde
Dem schwächsten Erdenkinde.

Er wird ein Knecht auf Erden,
Daß ich ein Herr kann werden:
Den Wechsel gnug zu preisen,
Fehlt’s noch aus Singeweisen.

Seht nur auf dieses Kindlein
Im Kripplein, in den Windlein,
Das euch mit Seinem Blute
Verschaffet alles Gute.

Wenn ich’s im Geiste sehe
In Seiner Gotteshöhe:
So denk‘ ich, ich vergehe,
Bis ich den Menschen sehe.

Gott geht aus Seiner Kammer,
Die Welt aus ihrem Jammer;
Das Kindlein in der Krippe
Hat Honig auf der Lippe.

Er liegt in Seiner Krippen
Und ruft mit süßen Lippen:
Grämt euch nicht, lieben Brüder,
Ich bringe Alles wieder!

O Kind, o süßer Knabe,
Du, den ich lieber habe
In Seinen Kindsgeberden
Als alle Schätz‘ auf Erden;

Laß, Schönster, Dich erblicken,
Mein Herze zu erquicken,
Du seligs, kleines Kindlein,
In Deiner Kripp‘ und Windlein!

Ist das mein lieber Bruder,
Der an der Welten Ruder
Der Alt‘ ist alle Tage?
Ach, Er bejaht die Frage!

Wie soll man dich empfangen?
O aller Welt Verlangen!
Du kommst, die Welt zu segnen;
Wie soll man Dir begegnen?

Ach, sei willkomm’n hienieden,
Du edler Gast, den Müden!
Komm‘, sieh‘, wie’s ihnen gehet,
Du hast sie nie verschmähet!

Du Schöpfer aller Dinge,
Wie wirst Du so geringe!
Der Alles hält alleine,
Wie wirst Du doch so kleine!

Gib dich uns, Herzensknabe,
zu einer Christnachtsgabe!
Du kannst mit wenig Blicken
Millionenmal erquicken.

Ich will hier bei Dir stehen;
Du wirst mich nicht verschmähen,
Wenn ich zur Krippe gehe
Und um ein rein Herz flehe.

Ach, Dein Advent in Fleische,
Der halte Deine keusche,
Sonst sündige Gemeine
Von Stund‘ zu Stunde reine!

Wir lassen uns gefallen,
Die Zeiten durchzuwallen,
Da uns Dein menschlich Leben
Beispiel und Trost gegeben.

Wenn Christnacht und Dein Leiden,
Die Ursach‘ ew’ger Freuden,
Im neuen Lied erscheinen,
Dann wird man nicht mehr weinen.

Dann wird das Lamm, so theuer,
Mit seinem Strahlenfeuer,
Die Engel und die Thronen
Und wir beisammen wohnen!

(um 1752.)