Gerhard Tersteegen – O Gott, o Geist, o Licht des Lebens,

1. O Gott, o Geist, o Licht des Lebens,
Das uns im Todesschatten scheint,
Du scheinst und lockst so lang vergebens,
Weil Finsterniß dem Lichte feind!
O Geist, dem keiner kann entgehen,
Ich laß dir gern den Jammer sehen.

2. Entdecke alles, und verzehre,
Was nicht in deinem Lichte rein,
Wenn mirs gleich noch so schmerzlich wäre;
Die Wonne folget nach der Pein:
Du wirst mich aus dem finstern Alten
In Jesu Klarheit vergestalten.

3. Mein’m Sündengift ist nicht zu steuren;
Durchsalbe du mich, dann geschichts:
Du muß von Grund auf mich erneuren,
Sonst hilft mein eignes Trachten nichts:
O Geist! sey meines Geistes Leben;
Ich kann mir selbst kein Gutes geben.

4. Du Athem aus der ew’gen Stille
Durchwehe sanft der Seelen Grund;
Füll mich mit aller Gottesfülle;
Und da, wo Sünd und Gräuel stund,
Laß Glaube, Lieb und Ehrfurcht grünen,
Im Geist und Wahrheit Gott zu dienen.

5. Mein Wirken, Wollen und Beginnen,
Sey kindlich-folgsam deinem Trieb;
Bewahr mein Herz, und alle Sinnen,
Untadelich in Gottes Lieb:
Dein in mir Beten, Lehren, Kämpfen,
Laß mich auf keine Weise dämpfen.

6. O Geist, o Strom, der uns vom Sohne
Eröffnet und Krystallen-rein,
Aus Gottes und des Lammes Throne,
Nun quillt in stille Herzen ein;
Ich öffne meinen Mund, und sinke,
Gib mir dies Wasser, daß ich trinke.

7. Es hilft kein Wollen, Laufen, Zwingen;
Ich halte mich nur eingekehrt,
Und lasse mich von dir durchdringen,
O Kraft, die mein Gemüth begehrt!
Doch, mein Begehren sinket nieder,
Und läßt sich dir zum Grunde wieder.

8. Ich laß mich dir, und bleib indessen,
Von allem abgespehnt, dir nah;
Ich will’s Geschöpf, und mich vergessen,
Dies innigst glauben: Gott ist da!.
O Gott: o Geist, o Licht des Lebens,
Man harret deiner nie vergebens.

Quelle: Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen.
Dreizehnte Original-Auflage
Elberfeld 1826
bei Wilhelm Hassel

Komplettierte Fassung dieses Liedes