Mein Leben ist ein pilgrimstand.
Ich reise nach dem Vaterland
Nach dem Jerusalem, das droben
Gott selbst als eine feste Stadt
Auf Bundesblut gegründet hat.
Da werd‘ ich Jakobs Hirten loben.
Mein Leben ist ein Pilgrimstand,
Ich reise nach dem Vaterland.
So schnell ich Land und Sand verlaß,
So schnell lauft meines Lebens Glas,
Und was vorbei ist, kommt nicht wieder.
Ich eile zu der Ewigkeit.
Herr Jesu, mach‘ mich nur bereit,
Eröffne meine augenlider,
Daß ich, was zeitlich ist, veracht,
Und nur nach dem was ewig, tracht.
Kein Reisen ist ohn‘ Ungemach.
Der Lebensweg hat auch sein Ach.
Man wandelt nicht auf weichen Rosen.
Der Steg ist eng, der Feinde viel,
Die mich abreißen von dem Ziel.
Ich muß mich oft in Dornen stoßen,
Ich muß durch dürre Wüsten geh’n,
Und kann selbst keinen Ausweg seh’n.
Der Sonne Glanz mir oft entbricht,
Der Sonne, die mit Gnadenlicht
In unverfälschte Herzen strahlet.
Wind, Regen stürmen auf mich zu;
Mein matter Geist find‘ nirgend ruh.
Doch alle Müh‘ ist schon bezahlet,
Wann ich die güld’ne Himmelsthür
Mir stell‘ im Glaub’n und Hoffnung für.
Israels Hüter, Jesu Christ,
Der du ein Pilgrim worden bist,
Da du mein Fleisch hast angenommen,
Zeig‘ mir im Worte deine Tritt.
Laß mich bei einem jeden Schritt
Zu deinem Heil stets näher kommen.
Mein Leben fleucht, ach eile du,
Und fleuch, gleichwie ein Hirsch, herzu.
Durch deinen Geist mich heilig leit‘,
Gib in Geduld Beständigkeit.
Für Straucheln meinen Fuß beschütze.
Ich falle stündlich: hilf mir auf,
Zeuch mich, damit ich dir nachlauf‘.
Sei mir ein Schirm in trübsalshitze.
Laß deinen süßen Gnadenschein
In Finsterniß nie ferne sein.
Wann mir mein Herz, o Gnadenfüll‘!
Vor Durst nach dir verschmachten will,
So laß mich dich zum Ladsal finden.
Und wann ich schließ die Augen zu,
So bring‘ mich zu der stolzen Ruh,
Da Streit und alle Müh verschwinden:
Laß mich da sein in Abrah’ms Schooß
Dein Liebling und dein Hausgenoß.
Bin ich in diesem Mesechsland
Der blinden Welt schon unbekannt,
Dort sind die Freunde, die mich kennen,
Dort werd‘ ich mit der Himmelsschaar
Dir jauchzend dienen immerdar,
Und in der reinsten Liebe brennen.
Mein Bräutigam, komm, bleib‘ nicht lang,
In Kedars Hütten wird mir bang.
Die evangelische Volksbibliothek
Fünfter Band
Die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
ausgewählt und eingeleitet
von Paul Pressel
Stuttgart
Adolph Bechers Verlag (Gustav Hoffmann)
1863