Schiemer, Leonhard – Wir bitten dich, ewiger Gott

Im Ton: „Nun welche hier ihr Hoffnung gar, auf“ usw. (1526/27)

Im Ton: „Nun welche hier ihr Hoffnung gar, auf“ usw. (1526/27)

 

Wir bitten dich, ewiger Gott,
neig zu uns deine Ohren,
heiliger Herr Zebaoth,
du Vierfürst der Heerscharen,
vernimm die Klag:
Ungemach und Plag
hat überhand genommen.
Der Behemoth
mit seiner Rott
ist in dein Erbteil kommen.

Es haben sich zu ihm verpflicht
viel der vermeinten Christen,
den wüsten Greuel aufgericht.
Sie toben und vernichten.
Das Heiligtum
de Christen fromm,
das haben sie zertreten.
Der wüst Unflat
in deiner Statt
läßt sich als Gott anbeten.

Dein heilig statt hond sie zerstört,
dein Altar umbgegraben,
darzu auch deine Knecht ermördt,
wo sie’s ergriffen haben.
Nur wir allein
dein heuflein klein,
sind wenig uberbliben,
mit schmach und schand
durch alle land
verjaget und vertriben.

Wir sind zerstewt gleich wie die schaf,
die keinen Hirten haben,
verlassen unser hauß und hooff
und sind gleich dem Nachtraben,
der sich auch offt
hewlt in steinklufft.
In Felsen und in klufften
ist unser gmach,
man stellt uns nach,
wie Vöglein in der lufften.

Wir schleichen in den Wälden umb,
man sucht uns mit den Hunden,
man führt uns als die Lemlein stum
gefangen und gebunden.
Man zeigt uns an
vor jedermann,
als weren wir Auffrürer,
wir sind geacht
wie Schaf zur schlacht
als Ketzer und verführer.

Vil sind auch in den Banden eng
an ihrem leib verdorben,
ettliche durch die marter streng
umbkommen und gestorben
on alle schuld;
hie ist gedult
der Heiligen auff erden.
Wir müssen all
durch viel Trübsal
also probieret werden.

Man hat sie an die bäum gehenkt,
erwürget und zzerhawen,
heimlich und öffentlich ertrenckt
vil Weiber und jungfrawen.
Die haben frey
ohn alle schew
der warheit zeugnuß geben,
daß Jesus Christ
die wahrheit ist,
der weg und auch das leben.

Noch tobt die Welt und ruhet nicht,
ist gar unsinnig worden,
vil lügen sie auff uns erdicht,
mit brennen und mit morden
thut sie uns bang.
O Herr, wie lang
willtu dazzu doch schweigen?
Richt den hochmut,
der heiligen bluth
laß wer dein Thron auffsteigen!

Wie köstlich ist der Heilgen Tod
vor deinem Angesichte!
Drum haben wir in aller Not
ein tröstlich Zuversichte
zu dir allein;
sonst nirgend kein
Trost, Fried noch Ruh auf Erden.
Wer hofft auf dich,
wird ewiglich
nimmer zu Schanden werden.

O Herr, kein Trübsal ist so groß,
die uns von dir abkehre.
So bitten wir ohn Unterlaß
durch Christum unsern Herren,
den du uns hast
zu einem Trost
aus deiner Gnaden geben,
der uns zeigt an
die schmale Bahn,
den Weg und auch das Leben.

Glorie, Triumph sei dir geseyt,
all Ehr sei dir auch geben,
von nun an bis in Ewigkeit!
Dein Gerechtigkeit daneben
bleib allezeit
gebenedeit
das Volk deim heilgen Namen,
durch Jesus Christ,
der kommend ist,
die Welt zu richten. Amen.


Anm.: Der rot geschriebene Text stammt aus einer späteren Überarbeitung des Textes - leider liegt mir nicht der ganze Text im Original vor.

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