Claudius, Matthias – Ein Lied, hinterm Ofen zu singen

Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht Süß noch Sauer.

War je ein Mann gesund, ist er’s;
Er krankt und kränkelt nimmer,
Weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs,
Und schläft im kalten Zimmer.

Er zieht sein Hemd im Freien an,
Und läßt’s vorher nicht wärmen;
Und spottet über Fluß im Zahn
Und Kolik in Gedärmen.

Aus Blumen und aus Vogelsang
Weiß er sich nichts zu machen,
Haßt warmen Drang und warmen Klang
Und alle warme Sachen.

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
Wenn’s Holz im Ofen knittert,
Und um den Ofen Knecht und Herr
Die Hände reibt und zittert;

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
Und Teich‘ und Seen krachen;
Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
Denn will er sich tot lachen.

Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
Im lieben Schweizerlande.

Da ist er denn bald dort bald hier,
Gut Regiment zu führen.
Und wenn er durchzieht, stehen wir
Und sehn ihn an und frieren.

Claudius, Matthias – Ein Lied vom Reifen

Sirach, Kap. 43. v. 21.
Er schüttet den Reifen auf die Erde wie Salz.

Seht meine lieben Bäume an,
Wie sie so herrlich stehn,
Auf allen Zweigen angetan
Mit Reifen wunderschön!

Von unten an bis oben ’naus
Auf allen Zweigelein
Hängt’s weiß und zierlich, zart und kraus,
Und kann nicht schöner sein;

Und alle Bäume rund umher,
All‘ alle weit und breit,
Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr‘,
In gleicher Herrlichkeit.

Und sie beäugeln und besehn
Kann jeder Bauersmann,
Kann hin und her darunter gehn,
Und freuen sich daran.

Auch holt er Weib und Kinderlein
Vom kleinen Feuerherd,
Und marsch mit in den Wald hinein!
Und das ist wohl was wert.

Einfältiger Naturgenuß,
Ohn‘ Anfang drum und dran,
Ist lieblich, wie ein Liebeskuß
Von einem frommen Mann.

Ihr Städter habt viel schönes Ding,
Viel Schönes überall,
Kredit und Geld und golden Ring,
Und Bank und Börsensaal,

Doch Erle, Eiche, Weid‘ und Ficht‘
Im Reifen nah und fern –
So gut wird’s euch nun einmal nicht,
Ihr lieben reichen Herrn!

Das hat Natur, nach ihrer Art
Gar eignen Gang zu gehn,
Und Bauersleuten aufgespart,
Die anders nichts verstehn.

Viel schön, viel schön ist unser Wald!
Dort Nebel überall,
Hier eine weiße Baumgestalt
Im vollen Sonnenstrahl

Lichthell, still, edel, rein und frei,
Und über alles fein! –
O aller Menschen Seele sei
So lichthell und so rein!

Wir sehn das an und denken noch
Einfältiglich dabei:
Woher der Reif und wie er doch
Zustande kommen sei?

Denn gestern Abend, Zweiglein rein!
Kein Reifen in der Tat! –
Muß einer doch gewesen sein,
Der ihn gestreuet hat.

Ein Engel Gottes geht bei Nacht,
Streut heimlich hier und dort,
Und wenn der Bauersmann erwacht,
Ist er schon wieder fort.

Du Engel, der so gütig ist,
Wir sagen Dank und Preis.
O mach uns doch zum heil’gen Christ
Die Bäume wieder weiß!