Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Mein unschätzbarstes Gut

1.) Mein unschätzbarstes Gut
Bis zum Vollendungssaale
Ist Jesu Leib und Blut
Im heilgen Abendmahle.
Weil aber diese Gnad‘
In einem Sakrament,
Das man nicht immer hat,
Allhier wird ausgespendt:

2.) So lass ich mir derweil,
Im Schlafen und im Wachen,
Auf andre Art sein Heil
Durch ihn genießbar machen.
Mein Glaube lebt davon,
So mit ihm umzugehn,
Als hätt ich in Person
Ihn vor den Augen stehn.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Jesu, geh voran auf der Lebensbahn

1. Jesu, geh voran
Auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen,
Dir getreulich nachzueilen;
Führ‘ uns an der Hand
Bis ins Vaterland.

2. Sollt’s uns hart ergehn,
Lass uns feste stehn
Und auch in den schwersten Tagen
Niemals über Lasten klagen;
Denn durch Trübsal hier
Geht der Weg zu dir.

3. Rühret eigner Schmerz
Irgend unser Herz,
Kümmert uns ein fremdes Leiden,
O so gib Geduld zu beiden;
Richte unsern Sinn
Auf das Ende hin.

4. Ordne unsern Gang,
Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege,
Gib uns auch die nöt’ge Pflege;
Tu uns nach dem Lauf
Deine Türe auf.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Herr Jesu Christ, du heller Tag

1.) Herr Jesu Christ, du heller Tag,
Der einst für uns im Finstern lag, –
Den jeder Morgenstern gelobt,
Eh‘ Du Dich uns als Mensch erprobt:

2.) Willkommen, o du reine Seel‘
In dieser Welt, Immanuel!
Wär auch dein Leib ganz fein und rein:
Er muss Dir doch beschwerlich sein.

3.) Willkommen mit dem Heilsgeruch
In unsrer Menschheit voller Fluch!
Sie ist fast unausstehlich noch, –
Dein Freuden-Öl versüßt sie doch.

4.) Vom hohen Himmel kamst Du her
Mit einer Botschaft segensschwer.
Man dacht‘, wir sehn um’s Bild des Herrn, –
Du aber dachtest: Das sei fern!

5.) Die Engel in dem Himmelslicht,
Die gaben jauchzenden Bericht.
Welch‘ ein unschätzbar Gnadenlos
Vom Himmel zu uns niederfloss.

6.) Kaum dass das Kind in Windeln stöhnt,
So singen sie: Ihr seid versöhnt!
Kaum reicht die Mutter ihm die Brust,
So singen sie von Gotteslust.

7.) Das Kind, es rührte sich allhie,
Es sagte nichts und weinte nie,
Was nicht dem menschlichen Geschlecht
Erbarmung, Trost und Leben brächt‘.

8.) Kommt aber lernbegierig her,
Ihr, denen Schweigen wird so schwer!
D e r Mensch verschwieg wohl dreißig Jahr‘
Die Sach‘, um die Er kommen war.

9.) Da sehet Ihn, den Jüngling, an,
Den Wagner und den Zimmermann!
Ach, Schade ist’s für Pflug und Egg‘, –
Darüber Ihm die Zeit geht weg!

10.) Die heilige Dreieinigkeit
Verliert wohl nichts an ihrer Zeit,
Den Engeln wird es auch nicht bang. –
Uns währen dreißig Jahre lang.

11.) Nun sitzt Er achtzehnhundert Jahr‘
Dort oben wieder, wo Er war.
Seitdem Er tot am Kreute hing
Und aus dem Grab zum Vater ging.

12.) Das ist schon sechzigmal so lang,
Als sein huldreicher Erdengang.
Die Zeit geht hin mit Lieb und Lob,
Doch sehnt gar manches sich darob.

13.) Wir bitten, Herr, Dich insgemein,
komm wieder, wenn es Zeit wird sein!
Du aber rufst uns feierlich:
Seid ihr denn auch bereit für mich? –

14.) Ja, wenn schon alles recht getan
Und wenn Du fändst nach deinem Plan
Und deinem Wunsch dein Haus gemacht,
Du kämst vielleicht die nächste Nacht!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Eh der Mensch sich wie erstorben

1.) Eh‘ der Mensch sich, wie erstorben,
Voller Elend liegen sieht
Und zu dem, der ihn erworben
Durch sein Blut, im Glauben flieht,
Hilft ihm nichts zum Seligwerden,
Was er auch je Gutes tut:
Denn im Himmel und auf Erden
Gilt allein des Lammes Blut.

2.) In des Lammes Blut alleine
Stehet die Gerechtigkeit.
Diese heißt der Glaube seine.
Dann erfüllt uns Fried‘ und Freud‘,
Und wir haben sel’ge Stunden,
Seel‘ und Leib und Geist erfährt
Solchen Trost aus Jesu Wunden,
Welcher unaufhörlich währt.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Der du noch in der letzten Nacht

1.) Der du noch in der letzten Nacht,

Eh‘ du für uns erblasst,
Den Deinen von der Liebe Macht
So schön gepredigt hast:

2.) Erinnre deine kleine Schar,
Die sich so leicht entzweit,
Was deine letzte Sorge war:
Der Glieder Einigkeit.

3.) Der du um unsre Seligkeit
Mit blutgem Schweiße rangst
Und durch der Tränen bangen Streit
Des Feindes Macht bezwangst.

4.) Erschüttre doch den trägen Sinn,
Der nichts von Arbeit weiß,
Und reiß ihn aus der Faulheit hin
Zu deinem Kampf und Schweiß!

5.) War zu der Herrlichkeit die Schmach
Dein ordentlicher Weg,
So geht dir deine Herde nach
Auch über diesen Steg.

6.) Drum leit auf deiner Leidensbahn
Uns selber bei der Hand,
Weil dort nur mitregieren kann,
Wer hier mit überwand.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Blick in Gnaden auf uns nieder

1.) Blick in Gnaden auf uns nieder,
Heiligs Kind, Immanuel!
Dir gehören unsre Glieder,
Dir gehöret jede Seel‘:

2.) Du lagst für uns in der Wiege,
Gingst für uns am Gängelband.
Und wie mansche Gnadenzüge
Hast du schon an uns gewandt!

3.) Lass uns weiden in den Freuden
Deiner Kindheit, Jesu Christ!
Lehr uns stündlich treu und kindlich
Sein, wie du gewesen bist.

4.) Lass uns immer vor dir schweben,
Sterben aller Eigenheit,
Sterben allem Widerstreben,
Sterben aller Weichlichkeit.

5.) Sterben allem Fleischesdringen,
Ungehorsam, Heuchelei,
Sterben allen bösen Dingen!
Amen, dass es also sei!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Auf, meine Seele sei erfreut

1.) Auf, meine Seele, sei erfreut,
Das Kirchenjahr wird heut erneut.
Da dir auf’s Neu das Heilwort klingt,
Dass dich erfreut, das dich verjüngt.
Ja, dass aus Gott dich neu gebiert
Und selbst zu Gott in’s Leben führt.

2.) Der Geist aus Gott erfülle mich,
Damit mein Geist erneure sich
Und ich, vom alten Menschen frei,
Ganz rein, ganz neu und christlich sei,
Damit mein Mund ermuntre sich
Und Gott lobsinge ewiglich.

3.) So findet auch, mehr als zuvor,
Dein teures Wort ein offnes Ohr.
Das Wort, das dem das Leben gibt,
Der danach tut, und Glauben übt.
Ach, Jesu, gib, dass dies in mir
Zur Frucht gedeihe für und für.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Die Christen gehn von Ort zu Ort

Die Christen gehn von Ort zu Ort
Durch mannigfaltgen Jammer;
Sie kommen in den Friedensport
Und ruhn in ihrer Kammer.
Gott hält der Seele Lauf
Durch Sein Umarmen auf;
Das Weizenbrot wird in Sein Beet
Auf Hoffnung reicher Frucht gesät.

Wie seid ihr doch so wohl gereist!
Gelobt sein eure Schritte,
Du allbereits befreiter Geist
Und du, verlaßne Hütte!
Den rührt der Bräutigam
Mit sanfter Liebesflamm;
Die deckt in ungestörter Ruh
Der Liebe stiller Schatten zu.

Wir freun uns in Gelassenheit
Der großen Offenbarung;
Indessen bleibt das Pilgerkleid
In heiliger Verwahrung.
Wie ist dein Glück so groß:
In Jesu Arm und Schoß!
Die Liebe führ uns gleiche Bahn,
So tief hinab, so hoch hinan!

 

(Auf seiner Großmutter Beerdigung im März 1726 gedichtet )

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Herr, dein Wort, die edle Gabe

1. Herr, dein Wort, die edle Gabe,
diesen Schatz erhalte mir;
denn ich zieh es aller Habe
und dem größten Reichtum für.
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist’s nicht um tausend Welten,
aber um dein Wort zu tun.

2. Halleluja, Ja und Amen!
Herr, du wollest auf mich sehn,
daß ich mög in deinem Namen
fest bei deinem Worte stehn.
Laß mich eifrig sein beflissen,
dir zu dienen früh und spat
und zugleich zu deinen Füßen
sitzen, wie Maria tat.

(1725)

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Jauchzet, ihr Himmel

1. Jauchzet, ihr Himmel,
Frohlocket ihr Engel in Chören;
Singet dem Herren,
Dem Heiland der Menschen, zu Ehren.
Sehet doch da:
Gott will so freundlich und nah
Zu den Verlornen sich kehren.

2. Jauchzet, ihr Himmel,
Frohlocket ihr Enden der Erden;
Gott und der Sünder,
Sie sollen zu Freunden nun werden.
Friede und Freud
Wird uns verkündiget heut.
Freuet euch, Hirten und Herden

3. Sehet dies Wunder,
Wie tief sich der Höchste hier beuget.
Sehet die Liebe,
Die endlich als Liebe sich zeiget.
Gott wird ein Kind,
Träget und hebet die Sünd.
Alles anbetet und schweiget.

4. Gott ist im Fleische;
Wer kann dies Geheimnis verstehen?
Hier ist die Pforte
Des Lebens nun offen zu sehen.
Gehet hinein,
Eins mit dem Kinde zu sein,
Die ihr zum Vater wollt gehen!

5. Treuer Immanuel,
Wird auch in mir nun geboren.
Komm doch mein Heiland,
Denn ohne dich bin ich verloren.
Wohne in mir,
Mache mich eins nun mit dir,
Der mich zum Leben erkoren.