Tersteegen, Gerhard – Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich hören?

1. Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich hören?
Wie laß ich mich bezaubern und betören!
Die kurze Freud, die kurze Zeit vergeht,
und meine Seel noch so gefährlich steht.

2. Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich kommen?
Ich hab so lang die treue Stimm vernommen;
ich wußt es wohl: ich war nicht, wie ich sollt;
er winkte mir, ich habe nicht gewollt.

3. Gott rufet noch. Wie, daß ich mich nicht gebe!
Ich fürcht sein Joch und doch in Banden lebe.
Ich halte Gott und meine Seele auf.
Er ziehet mich; mein armes Herze, lauf!

4. Gott rufet noch. Ob ich mein Ohr verstopfet,
er stehet noch an meiner Tür und klopfet;
er ist bereit, daß er mich noch empfang;
er wartet noch auf mich. Wer weiß, wie lang?

5. Gib dich, mein Herz, gib dich nun ganz gefangen.
Wo willst du Trost, wo willst du Ruh erlangen?
Laß los, laß los; brich alle Band entzwei!
Dein Geist wird sonst in Ewigkeit nicht frei.

6. Gott locket mich; nun länger nicht verweilet!
Gott will mich ganz; nun länger nicht geteilet!
Fleisch, Welt, Vernunft, sag immer, was du willi,
meins Gottes Stimm mir mehr als deine gilt.

7. Ich folge Gott, ich will ihm ganz genügen;
die Gnade soll im Herzen endlich Siegen.
Ich gebe mich; Gott soll hinfort allein
und unbedingt mein Herr und Meister sein.

8. Ach nimm mich hin, du Langmut ohne Maße;
ergreif mich wohl, daß ich dich nie verlasse.
Herr, rede nur, ich geb begierig acht; führ,
wie du willst, ich bin in deiner Macht.

Tersteegen, Gerhard – Ich bete an die Macht der Liebe

1. Ich bete an die Macht der Liebe,
Die sich in Jesu offenbart;
Ich geb‘ mich hin dem freien Triebe,
Wodurch ich Wurm geliebet ward;
Ich will, anstatt an mich zu denken,
Ins Meer der Liebe mich versenken.

2. Für Dich sei ganz mein Herz und Leben,
Mein süßer Gott, und all mein Gut!
Für Dich hast Du mir’s nur gegeben;
In Dir es nur und selig ruht.
Hersteller meines schweren Falles,
Für Dich sei ewig Herz und alles!

3. Ich liebt und lebte recht im Zwange,
Wie ich mir lebte ohne Dich;
Ich wollte Dich nicht, ach so lange,
Doch liebest Du und suchtest mich,
Mich böses Kind asu bösem Samen,
Im hohen, holden Jesusnamen.

4. Des Vaterherzens tiefste Triebe
In diesem Namen öffnen sich;
Ein Brunn der Freude, Fried und Liebe
Quillt nun so nah, so mildiglich.
Mein Gott, wenns doch der Sünder wüßte!
sein Herz alsbald Dich lieben müßte.

5. Wie bist Du mir so zart gewogen,
Wie verlangt Dein Herz nach mir!
Durch Liebe sanft und tief gezogen,
Neigt sich mein Alles auch zu Dir.
Du traute Liebe, gutes Wesen,
Du hast mich und ich Dich erlesen.

6. Ich fühls, Du bist’s, Dich muß ich haben,
Ich fühls, ich muß für Dich nur sein;
Nicht im Geschöpf, nicht in den Gaben,
Mein Ruhplatz ist in Dir allein.
Hier ist die Ruh, hier ist Vergnügen;
Drum folg ich Deinen selgen Zügen.

7. Ehr sei dem hohen Jesusnamen,
In dem der Liebe Quell entspringt,
Von dem hier alle Bächlein kamen,
Aus dem der Selgen Schar dort trinkt.
Wie beugen sie sich ohne Ende!
Wie falten sie die frohen Hände!

8. O Jesu, daß Dein Name bliebe
Im Grunde tief gedrücket ein!
Möcht Deine süße Jesusliebe
In Herz und Sinn gepräget sein!
Im Wort, im Werk, in allem Wesen
Sei Jesus und sonst nichts zu lesen.



Tersteegen, Gerhard – Jauchzet, ihr Himmel!

1. Jauchzet, ihr Himmel! Frohlocket, ihr englischen Chöre,
singet dem Herren, dem Heiland der Menschen, zu Ehre!
Sehet doch da:
Gott will so freundlich und nah
zu den Verlornen sich kehren.

2. Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Enden der Erden!
Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun werden.
Friede und Freud
wird uns verkündiget heut;
freuet euch, Hirten und Herden!

3. Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget;
sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget!
Gott wird ein Kind,
träget und hebet die Sünd;
alles anbetet und schweiget.

4. Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen?
Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen.
Gehet hinein,
macht euch dem Kinde gemein,
die ihr zum Vater wollt gehen.

5. Hast du denn, Höchster, auch meiner noch wollen gedenken?
Du willst dich selber, dein Herze der Liebe, mir schenken.
Sollt nicht mein Sinn
innigst sich freuen darin
und sich in Demut versenken?

6. König der Ehren, aus Liebe geworden zum Kinde,
dem ich auch wieder mein Herze in Liebe verbinde:
du sollst es sein,
den ich erwähle allein;
ewig entsag ich der Sünde.

7. Süßer Immanuel, werd auch geboren inwendig,
komm doch, mein Heiland, und laß mich nicht länger elendig!
Wohne in mir,
mach mich ganz eines mit dir,
und mich belebe beständig.

8. Menschenfreund Jesu! dich lieb‘ ich, dich will ich erheben;
laß mich doch einzig nach deinem Gefallen nur leben;
gieb mir auch bald,
Jesu, die Kindesgestalt,
an dir alleine zu kleben.

Tersteegen, Gerhard – Jesu, der du bist alleine

1. Jesu, der du bist alleine
Haupt und König der Gemeine:
segne mich, dein armes Glied;
wollst mir neuen Einfluß geben
deines Geistes, dir zu leben;
stärke mich durch deine Güt.

2. Ach dein Lebensgeist durchdringe,
Gnade, Kraft und Segen bringe
deinen Gliedern allzumal,
wo sie hier zerstreuet wohnen
unter allen Nationen,
die du kennest überall.

3. O wie lieb ich, Herr, die Deinen,
die dich suchen, die dich meinen;
o wie köstlich sind sie mir!
Du weißt, wie mich’s oft erquicket,
wenn ich Seelen hab erblicket,
die sich ganz ergeben dir.

4. Ich umfasse, die dir dienen;
ich verein’ge mich mit ihnen,
und vor deinem Angesicht
wünsch ich Zion tausend Segen;
stärke sie in deinen Wegen,
leite sie in deinem Licht.

5. Die in Kreuz und Leiden leben,
stärke, daß sie ganz ergeben
ihre Seel in deine Hand;
laß sie dadurch werden kleiner
und von allen Schlacken reiner,
ganz und gar in dich gewandt.

6. Laß die Deinen noch auf Erden
ganz nach deinem Herzen werden;
mache deine Kinder schön,
abgeschieden, klein und stille,
sanft, einfältig, wie dein Wille
und wie du sie gern willst sehn.

7. Sonderlich gedenke deren,
die es, Herr, von mir begehren,
daß ich für sie beten soll.
Auf dein Herz will ich sie legen,
gib du jedem solchen Segen,
wie es not; du kennst sie wohl.

8. Teuer hast du uns erworben,
da du bist am Kreuz gestorben;
denke, Jesu, wir sind dein.
Halt uns fest, solang wir leben
und in dieser Wüste schweben;
laß uns nimmermehr allein,

9. bis wir einst mit allen Frommen
dort bei dir zusammenkommen
und, von allen Flecken rein,
da vor deinem Throne stehen,
uns in dir, dich in uns sehen,
ewig eins in dir zu sein.

Tersteegen, Gerhard – Kommt, Kinder, laßt uns gehen

1. Kommt, Kinder, laßt uns gehen,
der Abend kommt herbei;
es ist gefährlich stehen
in dieser Wüstenei.
Kommt, stärket euren Mut,
zur Ewigkeit zu wandern
von einer Kraft zur andern;
es ist das Ende gut,
es ist das Ende gut.

2. Es soll uns nicht gereuen
der schmale Pilgerpfad;
wir kennen ja den Treuen,
der uns gerufen hat.
Kommt, folgt und trauet dem;
ein jeder sein Gesichte
mit ganzer Wendung richte
fest nach Jerusalem,
fest nach Jerusalem.

3. Geht’s der Natur entgegen,
so geht’s gerad und fein;
die Fleisch und Sinnen pflegen,
noch schlechte Pilger sein.
Verlaßt die Kreatur
und was euch sonst will binden;
laßt gar euch selbst dahinten,
es geht durchs Sterben nur,
es geht durchs Sterben nur.

4. Man muß wie Pilger wandeln,
frei, bloß und wahrlich leer;
viel sammeln, halten, handeln
macht unsern Gang nur schwer.
Wer will, der trag sich tot;
wir reisen abgeschieden,
mit wenigem zufrieden;
wir brauchen’s nur zur Not,
wir brauchen’s nur zur Not.

5. Schmückt euer Herz aufs beste,
sonst weder Leib noch Haus;
wir sind hier fremde Gäste
und ziehen bald hinaus.
Gemach bringt Ungemach;
ein Pilger muß sich schicken,
sich dulden und sich bücken
den kurzen Pilgertag,
den kurzen Pilgertag.

6. Kommt, Kinder, laßt uns gehen,
der Vater gehet mit;
er selbst will bei uns stehen
bei jedem sauren Tritt;
er will uns machen Mut,
mit süßen Sonnenblicken
uns locken und erquicken;
ach ja, wir haben’s gut,
ach ja, wir haben’s gut.

7. Kommt, Kinder, laßt uns wandern,
wir gehen Hand in Hand;
eins freuet sich am andern
in diesem wilden Land.
Kommt, laßt uns kindlich sein,
uns auf dem Weg nicht streiten;
die Engel selbst begleiten
als Brüder unsre Reihn,
als Brüder unsre Reihn.

8. Sollt wo ein Schwacher fallen,
so greif der Stärkre zu;
man trag, man helfe allen,
man pflanze Lieb und Ruh.
Kommt, bindet fester an;
ein jeder sei der Kleinste,
doch auch wohl gern der Reinste
auf unsrer Liebesbahn,
auf unsrer Liebesbahn.

9. Kommt, laßt uns munter wandern,
der Weg kürzt immer ab;
ein Tag, der folgt dem andern,
bald fällt das Fleisch ins Grab.
Nur noch ein wenig Mut,
nur noch ein wenig treuer,
von allen Dingen freier,
gewandt zum ewgen Gut,
gewandt zum ewgen Gut.

10. Es wird nicht lang mehr währen,
halt‘ noch ein wenig aus;
es wird nicht lang mehr währen,
so kommen wir nach Haus;
da wird man ewig ruhn,
wenn wir mit allen Frommen
heim zu dem Vater kommen;
wie wohl, wie wohl wird’s tun,
wie wohl, wie wohl wird’s tun.

11. Drauf wollen wir’s denn wagen,
es ist wohl wagenswert,
und gründlich dem absagen,
was aufhält und beschwert.
Welt, du bist uns zu klein;
wir gehn durch Jesu Leiten
hin in die Ewigkeiten:
es soll nur Jesus sein,
es soll nur Jesus sein.

Tersteegen, Gerhard – Noch ruft der Herr, es lockt sein Wort

Noch ruft der Herr, es lockt sein Wort
dich, Seele, von der Weltlust fort;
soll diese Zeit vorübergehn
und dir kein Heil vom Herrn geschehn?

Noch ruft der Herr, drum säume nicht
und suche Gottes Angesicht;
er harret dein, er steht bereit,
er schenkt dir Fried’ und Seligkeit.

Noch ruft der Herr, klopft an die Tür
und spricht: Ach, Seele, öffne mir,
ich möchte bei dir kehren ein
und dich von Sünden machen rein.

Noch ruft der Herr, ich muß jetzt gehn,
muß endlich um Vergebung flehn;
nicht länger ich mich weigern kann,
ich komme, Heiland, nimm mich an.

Tersteegen, Gerhard – Nun schläfet man

1. Nun schläfet man;
und wer nicht schlafen kann,
der bete mit mir an
den großen Namen,
dem Tag und Nacht
wird von der Himmelswacht
Preis, Lob und Ehr gebracht:
o Jesu, Amen.

2. Weg, Phantasie!
Mein Herr und Gott ist hie;
du schläfst, mein Wächter, nie,
dir will ich wachen.
Ich liebe dich,
ich geb zum Opfer mich
und lasse ewiglich
dich mit mir machen.

3. Es leuchte dir
der Himmelslichter Zier;
ich sei dein Sternlein, hier
und dort zu funkeln.
Nun kehr ich ein,
Herr, rede du allein
beim tiefsten Stillesein
zu mir im Dunkeln.

Tersteegen, Gerhard – O Gott, o Geist, o Licht des Lebens

1. O Gott, o Geist, o Licht des Lebens,
das uns im Todesschatten scheint,
du scheinst und lockst so lang vergebens,
weil Finsternis dem Lichte feind,
du Geist, der nun in mich gegeben,
gib neue Kraft, gib frisches Leben!

2. Entdecke alles und verzehre,
was nicht in deinem Lichterein,
wenn’s mir gleich noch so schmerzlich wäre;
die Wonne folget nach der Pein.
Du wirst mich aus dem finstern Alten
in Jesu Klarheit umgestalten.

3. O Geist, o Strom, der uns vom Sohne
eröffnet und kristallenrein
aus Gottes und des Lammes Throne
nun quillt in stille Herzen ein:
ich öffne meinen Mund und sinke
hin zu der Quelle, daßich trinke!

4. Ich lass‘ mich dir und bleib‘ indessen,
von allem abgekehrt, nur dein.
Ich will die Welt und mich vergessen
und innigst glauben: Gott ist mein.
O Gott, o Geist, o Licht des Lebens,
man harret deiner nicht vergebens.

Tersteegen, Gerhard – O Majestät, wir fallen nieder

O Majestät, wir fallen nieder,
Zwar Du bedarfst nicht uns’rer Lieder,
Uns ziemt und frommt Dein Lob so sehr.
Zu Deinem Lob sind wir geboren,
So theu’r erkauft, so hoch erkoren:
O Seligkeit, Dir geben Ehr!
Zu Deinem Lobe nur
Ist alle Creatur,
Selig’s Wesen!
Wir kommen dann Und beten an,
Im Geist und Wahrheit sei’s gethan!

Die Seraphim und Cherubinen
Dir Tag und Nacht mit Ehrfurch dienen,
Der Engel Schaaren ohne Zahl.
Die höchsten Geister, die Dich kennen,
Dich heilig! heilig! heilig! nennen,
Sie fallen nieder allzumal.
Ihr Seligsein bist Du,
Dir schreibt man Alles zu.
Amen, Amen!
Auch wir sind Dein Und stimmen ein:
Du, Gott, bist unser Gott allein!

Die Aeltesten vor Deinem Throne,
Sie beugen sich mit ihrer Krone;
Der Erstlinge erwählte Schaar
Sammt den unzählbar vielen Frommen
Die dort in weißen Kleidern kommen,
Sie bringen Dir ihr Loblied dar:
Macht, Weisheit, Herrlichkeit,
Lob, Dank in Ewigkeit!
Amen, Amen!
Auch wir sind Dein Und stimmen ein:
Du, Gott, bist unser Gott allein!

Sie loben Deine Thaten prächtig,
Daß Du so groß, so gut, so mächtig,
Höchstselig, würdig aller Ehr;
Daß eitel Weisheit, Lieb und Treue
In allen Deinen Wegen seie;
Ihr Amen sagt unendlich mehr.
Ihr Lob zu wenig ist,
Dein Lob Du sleber bist.
Amen, Amen!
Auch wir sind Dein Und stimmen ein:
Du, Gott, bist unser Gott allein!

Durch Deinen Willen muß bestehen,
Was wir durch Dich geschaffen sehen;
Dein Werk ist groß und wunderbar.
Von allem Du gelobt mußt werden
Im Himmel, Meer und auf der Erden;
Es stellet Deine Pracht uns dar;
Dein Lob ist eingeprägt
In allem, was sich regt.
Amen, Amen!
Auch wir sind Dein Und stimmen ein:
Du, Gott, bist unser Gott allein.

Die unter allen Nationen
Von Deinen Freunden hier noch wohnen,
Erheben Dich, Du sel’ges Gut!
Dich höchst vollkommen sie bekennen,
Dich ihren Gott und Heiland nennen,
Der sie erkauft durch Christi Blut.
Du bist ihr sel’ges Theil,
Ihr Trost, ihr ganzes Heil.
Amen, Amen!
Auch wir sind Dein Und stimmen ein:
Du, Gott, bist unser Gott allein!

Du wollst Dich selbst in uns verklären,
Daß wir Dich würdiglich verehren,
Daß unser Herz, Dein Heiligthum,
Mit Deiner Herrlichkeit erfüllet,
Durch Deine Gegenwart gestillet,
Zerfließ in Deiner Gottheit Ruhm!
Dich, unser höchstes Gut,
Erhebe Geist und Muth!
Amen, Amen!
Hallelujah, Hallelujah!
Der Herr ist groß und gut und nah!