Tersteegen, Gerhard – Allgenugsam Wesen

1. Allgenugsam Wesen,
Das ich mir erlesen
Ewig hab zum Schatz,
Du vergnügst alleine
Völlig, innig, reine
Meines Geistes Platz.
Wer dich hat
Ist still und satt,
Wer dir kann im Geist anhangen,
Darf nichts mehr verlangen.

2. Wem du dich gegeben,
Kann in Frieden leben,
Er hat, was er will;
Wer in seinem Grunde
Dich, den Schatz, hat funden,
Liebet und ist still.
Bist du da
Und innig nah,
Muss das Schönste bald erbleichen
Und das Beste weichen.

3. Höchstes Gut der Güter,
Ruhe der Gemüter,
Trost in aller Pein,
Was Geschöpfe haben,
Kann den Geist nicht laben,
Du vergnügst allein.
Was ich mehr
Als dich begehr,
Mein Vergnügen in dir hindert
Und den Frieden mindert.

4. Was genannt kann werden
Droben und auf Erden,
Alles reicht nicht zu,
Einer kann mir geben
Freude, Ruh und Leben,
Eins ist not, nur du;
Hab‘ ich dich
Nur wesentlich,
So mag Leib und Seel verschmachten,
Will ich’s doch nicht achten.

5. Ehre, Lust samt Schätzen
Und was kann ergötzen,
Will ich missen gern,
Freude, Trost und Gaben,
Die sonst andre haben,
Will ich auch entbehrn;
Du sollst sein
Mein Teil allein,
Der mir soll statt andrer Dingen,
Ruh und Freude bringen.

6. Mein‘ Gesellschaft seie,
Die mich stets erfreue,
Und mein Trost nur du,
Meine Lust alleine,
Mein Schatz, den ich meine,
Meines Geistes Ruh,
Meine Stärk‘
In allem Werk,
Mein erquickend Licht und Sonne,
Einzig meine Wonne!

7. Komm, vergnügend Wesen,
Das ich mir erlesen,
Werd mir offenbar,
Meinen Hunger stille,
Meinen Grund erfülle
Mit dir selber gar,
Komm, nimm ein
Mein Kämmerlein,
Dass ich allem mich verschließe
Und nur dich genieße!

8. Lass mich, Herr, mit Freuden
Mich von allem scheiden,
Tot der Kreatur,
Innig an dir kleben,
Kindlich in dir leben,
Sei mein Himmel nur;
Bleib nur du
Mein Gut und Ruh,
Bis du wirst in jenem Leben
Dich mir völlig geben!

Tersteegen, Gerhard – Ach wie laufen doch die Jahre

– Neujahrslied –

1.) Ach wie laufen doch die Jahre,
Wie verschwindet doch die Zeit,
Und ich bleibe von der Bahre
Noch bis diesen Tag befreit.
Ich weiß wohl, o Lebenslicht,
Dass ein Tag zum andern spricht:
Alles, was von Adams Erben,
Groß und Kleine müssen sterben.

2.) Doch du hast durch deine Güte
Wie ein Wächter mich bewacht,
Dass der Tod die Leibeshütte
Noch nicht in das Grab gebracht.
Ach, wie soll ich das verstehn,
Da doch andre schlafen gehen,
Und gar viele schon begraben,
Die noch nicht mein Alter haben.

3.) Herr, ich bin ja zu geringe
Dieser großen Gütigkeit.
Wenn ich mein Verzeichnis bringe
Der bisher genoss’nen Zeit,
So entfällt mir aller Mut,
Weil die Rechnung gar nicht gut.
Wie viele Jahre sind verdorben,
Da ich nicht der Welt gestorben!

4.) Doch ich will auf Mittel denken
Und auf Buße sein bedacht.
Jesus kann die Schuld versenken,
Die ich bis hierher gemacht.
Lieber Vater, steh mir bei,
Dass nur keine Heuchelei
Sich in meinem Herzen finde,
Wenn ich des mich unterwinde.

5.) Willst du mich noch ferner lassen,
Hier in dieser bösen Welt,
Ach so hilf mir alles hassen,
Was dem Geiste nicht gefällt.
Stärke mich von deiner Höh‘,
So wird auch das größte Weh,
Das mir oft zu schwer geschienen,
Mir zu meinem Besten dienen.

6.) Steh mir allezeit zur Rechten,
Denn du bist ja Sonn‘ und Schild.
Hilf uns, deinen armen Knechten,
Wie und wo und wann du willst.
Wenn die Tage böse sein,
Ach, so ruf ins Herz hinein:
Lernt euch in die Zeiten schicken,
So wird alles heilsam glücken.

7.) Endlich, wenn der Lauf zu Ende,
So befehl ich meinen Geist
Dir in deine treuen Hände,
Der du Gott und Vater heißt.
Ach, ich freu mich schon darauf,
Dass ich nach vollbrachtem Lauf
Dort der Freude soll genießen,
Wo wir keine Zeit mehr wissen.

Tersteegen, Gerhardt – Nun so will ich denn mein Leben

Mel. Alles ist an Gottes Segen.

Nun so will ich denn mein Leben
Völlig meinem Gott ergeben;
Nun wohlan, es ist geschehn!
Sünd‘, ich will von dir nichts hören,
Welt, ich will mich von dir kehren,
Ohne je zurück zu sehn.

Hab ich sonst mein Herz getheilet,
Hab ich hie und da verweilet,
Endlich sei der Schluß gemacht,
Meinen Willen ganz zu geben,
Meinem Gott allein zu leben,
Ihm zu dienen Tag und Nacht.

Herr, ich opfre Dir zur Gabe,
All mein Liebstes, das ich habe.
Schau, ich halte nichts zurück;
Schau und prüfe meine Nieren;
Solltest Du was Falsches spürgen,
Nimm es diesen Augenblick.

Ich scheu keine Müh‘ und Schmerzen;
Gründlich und von ganzem Herzen
Will ich folgen Deinem Zug:
Kann ich stetig und in Allem
Deinen Augen wohlgefallen,
Ach, so hab ich ewig g’nug.

Dich allein will ich erwählen;
Alle Kräfte meiner Seelen
Nimm nur ganz in Deine MAcht.
Ja, ich will mich Dir verschreiben;
Laß es ewig feste bleiben,
Was ich Dir heut zugesagt!

Tersteegen, Gerhard – Nun sich der Tag geendet,

Nun sich der Tag geendet,
Mein Herz zu dir sich wendet
Und danket inniglich.
Dein holdes Angesichte
Zum Segen auf mich richte,
Erleuchte und entzünde mich.

Ich schließe mich aufs neue
In deine Vatertreue
Und Schutz und Herze ein.
Die fleischlichen Geschäfte
Und alle finstern Kräfte
Vertreibe durch dein Nahesein.

Daß du mich stets umgibest,
Daß du mich herzlich liebest
Und rufst zu dir hinein,
Daß du vergnügst alleine,
so wesentlich, so reine,
Laß früh und spät mir wichtig sein!

Ein Tag, der sagt dem andern,
Mein Leben sei ein Wandern,
Zur großen Ewigkeit.
O Ewigkeit, so schöne,
Mein Herz an dich gewöhne,
Mein Heim ist nicht in dieser Zeit.

Tersteegen, Gerhard – Brunn alles Heils, dich ehren wir

1. Brunn alles Heils, dich ehren wir
und öffnen unsern Mund vor dir;
aus deiner Gottheit Heiligtum
dein hoher Segen auf uns komm.

2. Der Herr, der Schöpfer, bei uns bleib,
er segne uns nach Seel und Leib,
und uns behüte seine Macht
vor allem Übel Tag und Nacht.

3. Der Herr, der Heiland, unser Licht,
uns leuchten laß sein Angesicht,
daß wir ihn schaun und glauben frei,
daß er uns ewig gnädig sei.

4. Der Herr, der Tröster, ob uns schweb,
sein Antlitz über uns erheb,
daß uns sein Bild werd eingedrückt,
und geb uns Frieden unverrückt.

5. Gott Vater, Sohn und Heilger Geist,
o Segensbrunn, der ewig fließt:
durchfließ Herz, Sinn und Wandel wohl,
mach uns deins Lobs und Segens voll!

Tersteegen, Gerhard – Die geistliche Schmiedekunst.

Mein Herz, ein Eisen grob und alt,
So hart, so kalt, so ungestalt;
Der Hausherr kann es so nicht brauchen,
Die Liebe soll mein Feuer sein,
Durchs Beten komm‘ ich da hinein;;
Ich halte still, und laß es rauchen.

Bläs’t dann der sanfte Liebeswind,
So wird das Herz im Leib‘ entzünd’t;
Ich halte still, und laß es glühen.
Des Eisens Schwärze muß vergehen,
Es wird allmälig weich und schön,
So glühend man’s heraus mag ziehen.

Der Sterbens- und Verleugnungs weg
Der Ambos ist, drauf ich mich leg‘,
Da fängt der Meister an zu schlagen,
Des Meisters Arm giebt Schlag um Schlag,
Das weiche Eisen giebet nach,
Es läßt sich wenden, krümmen, plagen.

Es will sich noch nicht geben recht,
Drum ruft der Meister einen Knecht,
Der vorschlägt mit dem groben Hammer.
Der gute Freund und Helfersmann
Giebt tapfer Schläg‘, so gut er kann;
Schlag‘ zu, so komm‘ ich aus dem Jammer!

Des Meisters Hand lenkt Alles wohl,
Daß jener schlägt da, wo er soll,
Und wie es zur Gestaltung nütze.
Bald legt er’s wieder in die Gluth,
Bald geht das Schmieden wieder gut,
Die Schläge folgen auf die Hitze.

Im Feuer schien das Eisen schön;
Da dacht‘ ich, nun ist’s bald geschehn.
Indem war Feuer und Glanz entzogen,
Da ward mein Eisen schwarz und kalt,
Noch gar zu roh in der Gestalt,
Da sah mein Hoffen sich betrogen.

Am Feilbrett immer Noth und Pein,
Man schraubte mich so kalt hinein,
Man klemmte mich, um nicht zu weichen;
Man strich mit scharfen Feilen kühn,
Da flogen tausend Spähne hin,
Drauf mußte man’s ins Feine streichen.

Mein Meister, der versteht die Kunst,
Regier‘ mich, so polier‘ mich sonst,
Werd‘ ich nun endlich Dir anständig;
Doch hilft kein fein polirter Glanz,
Nicht über-, nein durchgüldet ganz
Sei Herz und All’s und feu’rbeständig.

Tersteegen, Gerhard – Du, Gott, bist selbst Dir Ort und Zeit

Du, Gott, bist selbst Dir Ort und Zeit,
Der Ewige in Ewigkeit,
Ohn‘ Anfang, ohne End und Schranken.
Dein prächtig Heiligthum bist Du,
Besitz’st Dich ganz in einem Nu
Ohn alle Aend’rung, ohne Wanken.
Verlaß ich Zeit und Ort und mich,
Gott, Ewigkeit, dann find‘ ich Dich.
Hallelujah, Hallelujah!

Du bist, Du warst, wirst immer sein,
Unsterblichkeit hast Du allein;
Mein Geist, Dein Hauch, hat’s durch Dein Geben.
Es mag vergehn die ganze Welt,
Ob auch mein Leibesbau zerfällt,
Du, Ew’ger, schenkst mir ew’ges Leben.
Die arme Saat, der Leib, soll schön
Durch Deinen Hauch einst auferstehn.
Hallelujah, Hallelujah.

Mein anfang und mein End bist Du,
Der wahre Zielpunkt meiner Ruh,
Mein Herzensschatz, des Geistes Speise.
Mein Wollen, Lieben, richt auf Dich,
Daß ich nach Dir nur lauterlich,
Du, meine Heimath, richt die Reise;
Und durch Dich lebe allezeit,
Du Ew’ger in der Ewigkeit.
Hallelujah! Hallelujah!

Tersteegen, Gerhard – Frühlingslied

Komm, laß uns gehen, mein Freund, hinaus aufs Feld,
Laß uns besehen des Frühlings Pracht und Freude,
Schau‘ da Dein Werk! Die Erd‘ im neuen Kleide;
Sie grünt, sie blüht; Dir jauchzet alle Welt.

Der Vöglein Schaar singt lustig Tag und Nacht;
Das Bienlein saugt gar emsig bei dem Wetter,
Wie süß bestreahlt die Sonne Blum‘ und Blätter!
Du bist’s, mein Licht, der Alles fröhlich macht.

Im Herzen Du, dort außen die Figur;
Ich liebe Dich in Deinen Schildereien,
Und muß mich ja herzkindlich drüber freuen,
Wie schön, wie schön ist Deine Creatur!

Das kleinste Blatt, das feinste Gräselein
Rühmt Deine Kunst. Was grünt und blüht und lebet,
Ein liebend Herz entzückt zu Dir erhebet,
Wie schön, wie schön muß nicht das Urbild sein!

Deine Himmelpracht, Dein tausend Tausendschön,
Draus im Triumph stets neue Wunder grünen,
Dein Leben und Dein Geben, uns zu dienen,
Kann ich vergnügt in dem Geälde sehn.

Die Sonne lockt der Blüthe Knospen aus,
Die Erde trägt den Schooß voll Erstlingsgaben,
Gras, Kraut und Korn zum Nähren und zum Laben;
Hier bing‘ ich’s Dir als Priester in Dein Haus.

Ich schaue dort mit süßem Andachtsblick,
Der Blumen Zier in Gärten und in Wiesen;
Gestalt, Geruch und Farben hoch gepriesen,
Und bringe Dir die ganze Pracht zurück.

Die Nachtigall singt Hallelujah Dir,
Bewunderend den neuen Schmuck im Grünen.
Hör‘, Liebster, hör‘, so will ich auch Dir dienen,
In Dir mein Herz sich freu‘ und jubelir‘.

Die Lerche trägt Dein, Lob, so hoch sie kann;
Ich möcht‘ in Dir, als meiner Luft, so schweben,
Disch, selig’s Gut, mit höchstem Lob erheben;
Doch, wer erreicht’s? Ich sink‘ ich bete an!

Tersteegen, Gerhard – Gott ist gegenwärtig

Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten
und in Ehrfurcht vor ihn treten.
Gott ist in der Mitten. Alles in uns schweige
und sich innigst vor ihm beuge.
Wer ihn kennt,
wer ihn nennt,
schlag die Augen nieder;
kommt, ergebt euch wieder.

Gott ist gegenwärtig, dem die Cherubinen
Tag und Nacht gebücket dienen.
Heilig, heilig, heilig! singen ihm zu Ehre
aller Engel hohe Chöre.
Herr, vernimm
unsre Stimm,
da auch wir Geringen
unsre Opfer bringen.

Wir entsagen willig allen Eitelkeiten,
aller Erdenlust und Freuden;
da liegt unser Wille, Seele, Leib und Leben,
dir zum Eigentum ergeben:
du allein
sollst es sein,
unser Gott und Herre,
dir gebührt die Ehre.

Majestätisch Wesen, möcht ich recht dich preisen
und im Geist dir Dienst erweisen!
Möcht ich wie die Engel immer vor dir stehen
und dich gegenwärtig sehen!
Laß mich dir
für und für
trachten zu gefallen,
liebster Gott, in allem.

Luft, die Alles füllet, d’rinn wir immer schweben,
aller Dinge Grund und Leben,
Meer ohn‘ Grund und Ende, Wunder aller Wunder,
ich senk‘ mich in dich hinunter;
ich in dir,
du in mir,
laß mich ganz verschwinden,
dich nur sehn und finden.

Du durchdringest alles; laß dein schönstes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte.
Wie dir zarten Blumen willig sich entfalten
und der Sonne stille halten:
laß mich so
still und froh
deine Strahlen fassen
und dich wirken lassen.

Mache mich einfältig, innig, abgeschieden,
sanft und still in deinem Frieden;
mach mich reines Herzens, daß ich deine Klarheit
schauen mag im Geist und Wahrheit.
Laß mein Herz
überwärts
wie ein Adler schweben
und in dir nur leben.

Herr, komm in mir wohnen, laß mein Geist auf Erden
dir ein Heiligtum noch werden;
komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre,
daß ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh,
sitz und steh,
laß mich dich erblicken
und vor dir mich bücken.