Victor von Strauß – Maria und Johannes am Kreuze.

Seht den Herrn am Kreuze schweben,
Seht, die Mutter steht daneben,
Durch die Seel ihr dringt ein Schwert;
Bluten sieht sie ihn, erblassen:
und ihr Herz ist ganz verlassen,
Da er nun von hinnen fährt.

Bei ihr steht in bitterm Leiden,
Dass er von dem Herrn soll scheiden,
Steht der Jünger, den er liebt,
Und sein Herz ist ganz verlassen:
Wen soll seine Lieb umfassen,
Wenn den Herrn der Tod umgibt?

Treuer Jesu, so in Schmerzen
Denkst du noch der armen Herzen,
Eh‘ ihr ganzer Trost zerrann,
Sprichst vom blutgen Kreuzesthrone:
Mutter, nimm ihn an zum Sohne
Sohn, nimm sie zur Mutter an.

Und von Stund an sind verbunden,
Die sich treu am Kreuz gefunden;
Hör’s, o Herz, das einsam fleht:
Keiner darf auf Lieb verzichten,
Keinem fehlts an teuern Pflichten,
Der bei Jesu Kreuze steht.

Woll‘ uns Alle, Herr, die Deinen
unter deinem Kreuz vereinen
Treugesellt zu Freud und Schmerz,
Mit der Mutter reinem Triebe,
Mit des Kindes frommer Liebe
Lass uns schließen Herz an Herz.

Größre Scheidung ist bezwungen:
Kindschaft hast du uns errungen
Allen, die dein eigen sind.
und dein Blick vom Kreuz erhoben
Weist auf Gott im Himmel droben;
Sieh, das ist dein Vater, Kind.

Herr voll Liebe bis zum Sterben,
Deine Liebe lass uns erben,
Dass sie heilge Herz und Sinn,
Dass du, wenn wir überwunden,
Sagest: Sie sind treu erfunden;
Vater, nimm die Kinder hin!