Zeller, Albert – Bist du noch nie, o Freund, vom Mondesstrahl erwacht

Bist du noch nie, o Freund, vom Mondesstrahl erwacht,
Wenn alle Menschen ruhn in stiller Mitternacht,
Die müde Erd ihr Haupt in Silberschleier hüllt,
Und Ein Gedanke groß, die ganze Welt erfüllt?
Am Himmel hat das Aug der Ewge aufgeschlagen,
Du schauest in sein Licht mit seligem Behagen,
Die Sterne knien umher in wolkenlosen Räumen,
Die fernen Berge schließt ein zauberhaftes Träumen,
Kein Lüftchen reget sich, kein Sehnen, kein Verlangen,
Von Gottes Wesenheit bist gänzlich du umfangen;
Nicht Leib, nicht Seele, du, und Zeit und Ewigkeit,
Und Tod und Leben macht da keinen Unterscheid.
Kein Rätsel, keine Frage, das tiefe Geistermeer
Wallet kristallenklar bis auf den Grund umher.
Leis wandelt sich das Schaun in einen hellen Traum;
Du bist entschlummert längst und fühlest es wohl kaum.
Kommt dann in heilger Früh die Sonne aufgestiegen,
So fragst du sie erstaunt, warum sie dir verschwiegen
Der Wesen innerstes, geheimstes Heiligtum,
Des Werdens, Seins und Sterbens ewges Mysterium;
Sie aber fähret fort, zu leuchten und zu tagen,
Als wollt sie klar und klarer mit ihren Strahlen sagen:
Ist nicht der sanfte Mond mein Bote nur gewesen,
Von deines Geistes Auge die Binde mild zu lösen?