Liebe, die sich mir vermählet
Vor dem Anbeginn der Zeit,
Eh‘ man Tag und Nacht gezählet,
Und vor aller Ewigkeit.
Liebe, allerschönstes Wesen,
Süßester Immanuel,
Der Du Dir zur Braut erlesen
Meine teu’r erkaufte Seel‘:
Lass mich Dich und mich erkennen,
Meine Kälte, Deine Glut,
Und vor Sehnsucht ganz entbrennen
Nach dem unverdienten Gut!
Freund, entreiße mich dem Allen,
Was nicht in Dein Reich gehört;
Lass mich zu der Freistatt wallen,
Wo mich kein Geräusche stört!
Aber wo, wo ist die Stille,
Die gewünschte Einsamkeit,
Wo mein oft so harter Wille
Sinkt in die Gelassenheit?
Wo ist jene Zufluchtshöhle,
Da die vom unsel’gen Bann
Eigner Kraft erlöste Seele
Sich hinein verbergen kann?
Keine weiß ich, als die Wunden,
Die Dir aufgerissen sind:
Da, da sind‘ ich alle Stunden
Raum für solch ein armes Kind!
Ei, so will ich tiefer dringen,
Als noch Nichts gedrungen ist,
Und mit Dir mich dahin schwingen,
Wo Du recht daheime bist;
Bis Du wieder aus der Höhe
In mein Herz herunter ziehst,
Und ich Dich so eigen sehe,
Als Du mich, den Armen, siehst.
Halte, halte meine Augen,
Holder Freund, zu dieser Zeit,
Dass sie Nichts zu sehen taugen,
Als den Tag der Ewigkeit.
Also mag die Welt verbrennen,
Mich verstört Nichts in der Ruh‘;
Also mag mich Niemand kennen:
Deine Taube kennest Du!
(1721.)