Zinzendorf, Nikolaus von – An die Kinder.

Wir flieh’n zu Jesu Armen;
Wer hilft uns denn dahin?
Ach, einzig Sein Erbarmen,
Sein treuer Liebessinn!
So folgen wir dem Triebe,
Den Er uns selbst verleiht,
Und schmecken Seine Liebe
und Seine Freundlichkeit.

Er segn‘ uns Eins beim Andern
Nach Seiner freien Lieb‘,
Und helf‘ uns fröhlich wandern
Durch Seinen Gnadentrieb;
Sein Haupt, mit Blut beflossen,
Bleib‘ uns stets im Gesicht;
Das Blut, so Er vergossen,
Geleite uns im Licht!

Sein Kreuz, die Schmach, die Ängsten
Erfreuen unser Herz,
Wie Ihn am allerbängsten
Durchdrang der Todeschmerz;
Da lag Er, der Durchbrecher,
Für uns in Not und Graus,
Und trank den bittern Becher
Bis auf den Boden aus.

Verwundert euch nicht, Kinder,
Dass wir euch abermal
Hier reden von der Sünder
Geliebtem Wundenmal;
Denn, wir gestehn’s, wir wüssten,
Und wenn eins sterben müsst‘,
(Wir wären sonst nicht Christen)
Nur vom verwund’ten Christ!

Gib, Heiland, unsern Kindern,
Dass Deines Kreuzes Macht,
Daran so viel sich hindern
In ihrer Trägheitsnacht,
Ihr ganzes Herz hinnehme,
Bis Du als Perlenreih’n
In Deinem Diademe
Sie fügst auf ewig ein!

Wir wünschen uns die Gnade,
Das Lamm am Kreuz zu seh’n,
Und von dem schmalen Pfade
Nie wieder abzugeh’n.
Er, der bei uns in Stillen
Gern wohnt und Gutes schafft,
Geb‘, auch bei kleinen Willen,
Der Seele große Kraft! (Ps. 138,3.)

(Zu Genf 1741 gedichtet.)