Johann Baptist von Albertini – Längst suchtest du, mein Geist! ein nahes Wesen

Längst suchtest du, mein Geist! ein nahes Wesen,
Ein blutverwandtes, in der Geisterwelt:
Längst war voraus die Wohnung ihm bestellt
In deinem Herzen – denn durch Ihn genesen,
Und nur durch Ihn, o Seele! konntest du:
Ihm brannte deiner Sehnsucht Flamme zu.

Reich war die Welt gefüllt mit Unsichtbaren,
Heroen, Göttern, Geistern groß
Und klein und licht und finster: doch warst du allein!
denn Einer, Einer fehlt in ihren Scharen –
Ein liebend Wesen, reich an Ehr‘ und Spott,
Mit Macht und Ohnmacht prangend, Mensch und Gott.

Da kam das Wort, um unter uns zu wohnen,
Ward Fleisch, und lebte in der Sichtbarkeit,
Und schlichtete den alten harten Streit
Der sünd’gen Erde mit den Himmelsthronen!
Noch, aufgehoben in die Herrlichkeit,
Wohnt’s unter uns bis jenseits aller Zeit.

Nun ist, mein Geist! befriedigt dein Verlangen:
Verblichen ist der Glanz der Geisterschar
Vor Ihm, dem Einen! Ihm, der ist und war
Und sein wird! Ihm, an dem die Herzen hangen!
Ein Gott-mit-dir bewohnt die Geisterwelt,
Und füllt und weiht sie dir zum Friedenszelt,

Du fliegst hinaus in ihre hehren Fernen,
Und kehrtest nicht, wie vormals, leer zurück:
Und weidest dich an Gottes Freundesblick,
Liegst stundenlang, um Lieb‘ Ihm abzulernen,
An Seiner Brust, und lernst Sein Wort verstehn:
„Kommt, liebt und glaubt euch selig ohne Sehn!“