Gottfried Arnold – Die heimliche Himmelsweisheit.

Verborgnes Licht, geheimes Leben
Der göttlichen Vollkommenheit!
Wer kennet deine Reinigkeit?
Wem hast du dich zu eigen geben?
Ja, Niemand weiß von deinem Namen,
Noch merket deiner Weisheit Spur,
Wiewohl dein unbefleckter Samen
liegt in der menschlichen Natur.

Wer geht in den verschlossenen Garten?
Nur, wer wie du verschlossen ist;
Wem du ein offner Brunnen bist,
Der muss auch deiner treulich warten.
Vor deinen Freunden bleibst du stehen
Als Jungfrau, voller Heiligkeit;
Wenn aber sie zu Andern geben,
Entziehst du deine Herrlichkeit.

Du gehst zwar jeder Seel‘ entgegen,
Erscheinst in ihrem tiefsten Grund;
Du bist so nah in ihrem Mund,
Dass sich ihr Fuß nicht darf bewegen.
Man darf nicht über Meere reisen,
Wir finden Dich vor unsrer Tür
Des Herzens ruh’n; da willst du’s weisen,
Wie sehnlich Du uns ziehst zu Dir.

Doch kennt die Welt die treue Stimme
Das Locken und Bestrafen nicht,
Das im Gewissen stets geschieht,
Sie, die Dich hasst mit bittrem Grimme.
Du, der von Blindheit will erlösen,
Bleibst doch den Meisten unerkannt;
Ein Tor, der niemals flug gewesen,
Nimmt lieber Unflat in die Hand.

Ach edler Schatz, Du kannst kaum finden
Ein einzig Herz, das Dir gehöret,
Das um die rechte Ruhe sorgt,
Und sucht mit Dir sich zu verbinden.
Geh aber nur mit starken Schritten
Aus dem verborgnen Licht heraus,
Und lass Dich unsre Not erbitten,
Zu wohnen in dem öden Haus!

Und wie Du in Dir selbst verschlossen,
Verriegelt und versiegelt bist,
Dass, was gemein und unrein ist,
Die Wahrheit niemals hat genossen:
So leg‘ in uns auch solche Kräfte
Der Stille und Verschwiegenheit
Jungfräulich-züchtiger Geschäfte,
Wenn uns dein Geist erlöst und weiht!

Lass Augen, Ohren, Händ‘ und Füße
An deine Zucht gebunden sein,
Dass auch nicht unter gutem Schein
Das Herz von etwas Fremdem wisse,
Als von Gemeinschaft mit den Quellen,
Die himmelhell kristallen sind,
Damit dein Herz mich von den Wellen
Der Falschheit nicht getrübet find‘!

Ach, nimm mich mit in deinen Garten,
Der gleich dem Paradiese grünt,
Und mir mit neuen Früchten dient,
Die Tau von oben nur erwarten,
Und Kraft der Sonne samt den Regen;
Sonst Halt ihn um und um verzäunt;
Kein Freund soll seine Frucht drein legen,
Und hätt‘ er’s noch so gut gemeint!

So halt“ ich mich zu Dir, mein Leben,
Der du mich huldreich angeschaut!
Wer sich einmal mit Dir vertraut,
Bleibt an der Kreatur nicht kleben.
O siegle, schließ‘ und wach‘ und hege
Dein Eigentum, dein liebstes Gut,
Dass sich mein Geist in Dir nur rege,
Und stehe stets auf seiner Hut!

Schleuß, Herr, des innern Gartens Mauern
Vor den geheimsten Feinden zu,
Die seine Blüte, Frucht und Ruh
Zu rauben, Tag‘ und Nächte lauern!
Darf ich geheim mit Dir umgehen,
So weiß ich, daß ich sicher bin,
Und will dann nirgends hin mehr sehen!
Nach der Gewissheit steht mein Sinn.