unbekannter Verfasser (1823) – Dies Irae

Der Vergeltung Tag, der schwere,
Tilgt die Welt im Flammenmeere,
Laut der heil’gen Seher Lehre.

Welch‘ Entsetzen wird da walten,
Kommt der Richter, Recht zu halten,
und ob Allem streng zu schalten!

Die Posaune hehr, mit Klängen,
So des Erdballs Grüfte sprengen,
Wird zum Thron die Menschen drängen!

Tod dann und Natur erbeben,
Wann die Leichen sich erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.

Gottes Schrift, im hellsten Lichte
Zeigend aller Zeit Geschichte,
Rollt sich auf zum Weltgerichte.

Da, vom Throne, Recht zu sprechen,
Wird der Richter die Verbrechen
All‘ enthüllen, Alle rächen.

Ach, was werd‘ ich Armer sagen?
Zum Vertreter wen erfragen,
Wo Gerechte selbst noch zagen?

Herr des Weltalls! furchtbar Hehrer!
Freien Gnadenheils Bescheerer!
Rette mich, du Huldgewährer!

Gnad‘ ist, Jesu, ja dein Wesen!
Kamst du doch, mich zu erlösen!
Lass mich jenes Tags genesen!

Mich erwarbst du, letzten Strebens,
Noch am Kreuz, am Ziel des Lebens,
Solch ein Preis sei nicht vergebens!

Rächer mit gerechter Waage,
Lass die Schuld, die schwer ich trage,
Gnädig nach vor jenem Tage!

Strafbar seufz‘ ich auf voll Bangen,
Scham durchglühet meine Wangen,
Mög‘ ich flehend Gnad‘ erlangen!

Dass der Sünd’rin du verziehen,
Und dem Schächer Heil verliehen,
Lässt auch mir noch Hoffnung blühen.

Nicht verdien‘ ich’s, doch zur Ehre
Deiner Huld, o Heiland, wehre,
Dass nicht ew’ge Glut mich zehre!

Dir zur Rechten lass mich kommen,
Fern der Frevler Rott‘ entnommen,
Gieb mir Raum bei deinen Frommen!

Sind dann Jene überwiesen,
In die Flammenpein verwiesen,
Rufe segnend mich mit Diesen!

Knieend, hochgestreckt die Hände,
Trau’rvoll bet‘ ich: Mittler, wende
Rettend dich zu meinem Ende!