- HErr, aller Weisheit Quell und Grund,
dir ist mein Vermögen kund,
Wo du nicht hilfst und deine Gunst,
ist all mein Tun und Werk umsunst. - Ich leider als ein Sündenkind
bin von Natur zum Guten blind,
Mein Herze, wann dirs dienen soll,
ist ungeschickt und Torheit voll. - Ja, HErr, ich bin gar viel zu schlecht,
zu handeln dein Gesetz und Recht,
Was meinem Nächsten nütz im Land,
ist mir verdeckt und unbekannt. - Mein Leben ist sehr kurz und schwach,
ein Lüftlein, das bald lasset nach ;
Was in der Welt zu prangen pflegt,
das ist mir wenig beigelegt. - Wann ich auch gleich vollkommen wär,
hätt aller Gaben Ruhm und Ehr
Und sollt entraten deines Lichts,
so wär ich doch ein lauter Nichts. - Was hilfts, wann einer gleich viel Weiß,
und hat zuvörderst nicht mit Fleiß
Gelernet deine Furcht und Dienst,
Der hat mehr Schaden als Gewinnst. - Das Wissen, das ein Mensche führt,
wird leichtlich ihm selbst verirrt;
Wann unsre Kunst am meisten kann,
so stößt sie aller Enden an. - Wie mancher stürzet seine Seel
durch Klugheit, wie Ahitophel,
Und nimmt, weil er dich nicht recht kennt,
durch seinen Witz ein schlechtes End! - O GOtt, mein Vater, kehre dich
zu meiner Bitt und höre mich:
Nimm solche Torheit von mir hin
und gib mir einen bessern Sinn! - Gib mir die Weisheit, die du liebst
und denen, die dich lieben, gibst,
Die Weisheit, die vor deinem Thron
allstets erscheint in ihrer Kron. - Ich lieb ihr liebes Angesicht,
sie ist meins Herzensfreud und -Licht,
Sie ist der hellen Sonnen gleich,
an Tugend und an Gabenreich.
12 Sie ist hochedel, auserkorn,
von dir, o Höchster, selbst geborn,
Sie ist der hellen Sonnen gleich,
an Tugend und an Gaben reich.
- Ihr Mund ist süß und tröstet schön,
wenn uns die Augen übergehn;
Wenn uns Kummer niederdrückt,
So ist lies, die das Herz erquickt. - Sie ist voll Ehr und Herrlichkeit,
bewehrt vorm Tod und großem Leid,
Wer fleißig um sie kämpft und wirbt,
der bleibet lebend, wenn er stirbt. - Sie ist des Schöpfers nächster Rat,
von Worten mächtig und von Tat;
Durch sie erfährt die blinde Welt,
der bleibet lebend, wenn er sterbt. - Denn welcher Mensch weiß Gottes Rat?
Wer ists, der je erfunden hat
den Schluß, den er im Himmel schleußt,
den Weg, den er uns laufen heißt? - Die Seele wohnet in der Erd
und wird durch ihre Last beschwert,
Die Sinnen, hin und her zerstreut,
sind ja von Irrtum nicht befreit. - Wer will erforschen, was GOtt setzt,
und sagen, `Was sein Herz ergetzt?´
Es sei denn, der du ewig lebst,
Daß du uns deine Weisheit gebst. - Drum sende sie von deinem Thron
und gib sie deinem Kind und Sohn!
Ach, schütt und geuß sie reichlich aus
in meines Herzens armes Haus! - Befiehl ihr, daß sie mit mir sei
und, wo ich gehe, stehe bei;
Bin ich in Arbeit, helfe sie
Mir tragen meine schwere Müh! - Gib mir durch ihre weise Hand
die recht Erkenntnis und Verstand,
Daß ich an dir alleine Kleb
und nur nach deinem Willen leb! - Gib mir durch sie Geschicklichkeit,
zur Wahrheit laß mich sein bereit,
Daß ich nicht mach aus sauer Fuß,
noch aus dem Lichte Finsternis! - Gib Lieb und Luft zu deinem Wort,
hilf, daß ich bleib an meinem Ort
Und mich zur frommen Schar gesell,
in ihrem Rat mein Wesen stell! - Gib auch, daß ich gern jedermann
mit Rat und Tat, so gut ich kann,
Aus rechter unverfälschter Treu
zu helfen allzeit willig sei! - Auf daß in allem, was ich tu,
in deiner Lieb ich nehme zu;
Denn wer sich nicht der Weisheit gibt,
der bleibt von dir auch ungeliebt.