Weisse, Michael – Vom jungsten Tag

ES wirt schier der letzte tag herkommen,
denn die boßheit hat ser zugenommen,
Was Christus hat vorgesagt,
das wirt ietz beklagt.

Der abfal vom glauben wirt erfuren,
das er sey geschehn vor langen jaren,
Wie Paulus der fromme man
klerlich zeiget an.

Der verdampte sohn hat lang gesessen
in dem tempel Gottes hoch vermessen,
Sich gerhümt vnnd sein gebot,
gleich als wer er Gott.

Vil falsche propheten seind erstanden,
ja noch rotten vnnd secten vorhanden,
Die mit ihrer that vnd leer
der welt schaden seer.

Weil vns nun der Antichristisch orden
durch Gottes wort offenbar ist worden,
So last vns fliehen mit fleiß
seine leer vnd weiß

Last vns in den bund des Herren tretten
vnd darinnen stetz wachen vnd beten,
Denn der letzte tag geht her,
kömpt vns immer nehr.

Die welt mehret sich in sünd vnd torheit
vnnd trachtet zu dempfen Gottes warheit;
Der herr wirts lassen geschehen,
ihr also zusehn.

Aber wenn sie maynt, sie hab gewonnen
vnd sey allem vngelück enttronnen,
Wirts ihr erst mit aller macht
kommen hundertfach.

Grosse plag wirt sie plötzlich vmgeben
vnnd ihr alle schepffung widerstrebenn,
Das sie auch für angst vnd not
wünschen wirdt den todt.

Sonn vnd monet wirt verfinstert werden
vnd ein groß weklagen sein auf erden,
Dann wirt Christus kommen frey
das er richter sey.

Vnnd er wirt seinen ertzengel schicken
vnd alle gestorbnen lassen wecken,
Daß sie allsampt auferstehn
vnd führ ihm gestehn.

Dann wirt er zu seinen Engeln sprechen:
nu wiel ich mich an meinn feinden rechen,
Wer wider mich hat gethan
wirt nehmen sein lohn!

Versamlet mihr her mein auserkornen,
alle glaubigen vnnd newgebornen,
Die meinenn bund wolbedacht
trewlich han verbracht.

Vnnd die werden sie zur rechten sellten,
wo der Herr ein lieblich vrteil fellen,
Sie wirt setzen gwaltiglich,
inn die lufft bey sich.

Aber zum Gottlosen wirt er sprechen:
nu wol an, ich werde mit euch rechen:
Warumb habt ihr meinen bund
genommenn jnn mund,

So ihr doch gotselikeit verachtet
vnd nur auf vntugent habst getrachtet?
Ich schwaig, vnd da maynet ihr,
es wer nichts für mihr.

Weicht vonn mihr, all ihr vermaledeitenn,
jnn das fewer, welchs vor langen zeiten
Allen teufeln ist bereit
für ihre bößheit!

Da mit werden sie zur hellen müssen
vnd da selbst ihr vntugent bussen
Inn vnaussprechlicher pein,
der kein end wirt sein.

Sein volck aber, von diesen gescheidenn,
wirt er füren zur himlischen frewdenn,
Wo es wie der sonnen schein
ewiglich wirt sein.

Ey nu, Herr, steh vns bey auf erden
vnd bereit vns, das wir wirdig werden
Zu schawen jnn ewikeit
deine herlikeit!

Wackernagel – Das deutsche Kirchenlied von Martin Luther bis auf Nicolaus Herman und Ambrosius Blaurer