Christian Ludw. Scheidt – Aus Gnaden soll ich selig werden!

Aus Gnaden soll ich selig werden!
Herz, glaubst dus oder glaubst dus nicht?
Was willst du dich so blöd gebärden?
Ists Wahrheit, was die Schrift verspricht,
So muss auch dieses Wahrheit sein:
Aus Gnaden ist der Himmel dein.

Aus Gnaden! Hier gilt kein Verdienen:
Die eignen Werke fallen hin.
Gott, der aus Lieb im Fleisch erschienen,
Hat diese Ehre zum Gewinn:
Dass uns sein Tod das Heil gebracht
Und uns aus Gnaden selig macht.

Aus Gnaden! Merk dies Wort: aus Gnaden!
So oft dich deine Sünde plagt,
So oft dir will der Satan schaden,
So oft dich dein Gewissen nagt:
Was die Vernunft nicht fassen kann,
Das beut dir Gott aus Gnaden an.

Aus Gnaden kam sein Sohn auf Erden
Und übernahm die Sündenlast.
Was nötigt ihn, dein Freund zu werden?
Sprich, wenn du was zu rühmen hast?
Wars nicht, dass er dein Bestes wollt
und dir aus Gnaden helfen sollt?

Aus Gnaden! Dieser Grund wird bleiben,
So lange Gott wahrhaftig heißt.
Was alle Knechte Jesu schreiben,
Was Gott in seinem Wort anpreist,
Worauf all unser Glaube ruht,
Ist: Gnade durch des Lammes Blut.

Aus Gnaden! Doch du, sichrer Sünder,
Denk nicht: wohlan, ich greife zu!
Wahr ists: Gott rufet Adams Kinder
Aus Gnaden zur verheißnen Ruh;
Doch den geht seine Gnad nicht an,
Der noch auf Gnade sündgen kann.

Aus Gnaden! Wer dies Wort gehöret,
Tret ab von aller Heuchelei.
Denn wenn der Sünder sich bekehret,
Dann lernt er erst, was Gnade sei;
Beim Sündgen schien die Gnad gering:
Dem Glauben ists ein Wunderding!

Aus Gnaden bleibt dem blöden Herzen
Das Herz des Vaters aufgetan,
Wenns unter den Verzweiflungs-Schmerzen
Nichts sieht und nichts mehr hoffen kann.
Wo nähm ich oftmals Stärkung her,
Wenn Gnade nicht mein Anker wär?

Aus Gnaden! hierauf will ich sterben,
Ich fühle nichts, doch mir ist wohl,
Ich kenn mein sündliches Verderben,
Doch auch den, der mich heilen soll.
Mein Geist ist froh, die Seele lacht,
Weil mich die Gnad schon selig macht.

Aus Gnaden! Dies hör Sünd und Teufel!
Ich schwinge meine Glaubensfahn
und geh getrost trotz allem Zweifel
Durchs rote Meer nach Kanaan:
Ich glaub, was Jesu Wort verspricht,
Ich fühl es oder fühl es nicht.