Arndt, Ernst Moritz – Neujahrstrost

Einst stieg ein höchster Geist herab,
Der Erste aller Gottgebornen,
Der Sieger über Tod und Grab,
Das Licht der armen Nachtverlornen,
Das Licht in grauser Finsterniß
Der rings in Trug und Wahn Verirrten,
Die jedes Weges ungewiss
Gespenster düstern Grau’ns umschwirrten.

Hier ging er in Gestalt des Knechts
Durch Lug und Trug und Leid der Erden,
Daß ihres hohen Götterrechts
Die Menschen sollten inne werden,
Daß wieder würden aufgethan
Die lang verschlossnen Himmelsfenster,
Vernichtet düstrer Höllenwahn,
Verjagt der Hölle Nachtgespenster;

Daß die, so Gott für’s Licht erschuf,
Die gar in Finsterniß verzagten,
Aufhorchten auf den Himmelsruf
Und nach den Heimathsternen fragten,
Daß wieder zu den lichten Höh’n
Die Geister regten alle Schwingen,
Aus Erdenmühen, Erdenweh’n
Ins Himmelreich emporzudringen.

Du Liebesheld, mein Hort, mein Muth,
Du hast die Hölle zugeriegelt,
Du hast am Kreuz mit deinem Blut
Den heil’gen Liebesbund besiegelt
Du Liebesheld, das ist das Wort,
Das Wort der Gnade, Wort der Treue,
Das jagt die Erdenschrecken fort
Und macht aus Sünderknechten Freie.

O komm, mein Held, mein Muth im Streit,
Im Streit des Blinden unter Blinden,
Hilf, hilf im Trug der Eitelkeit
Der Wahrheit grade Wege finden!
Dann mag ich fröhlich frisch und fromm
Fortpilgern dein geweihter Streiter
Und endlich rufen: Komm! o komm,
Mein Liebesheld! denn ich will weiter.

Ja wann es klingt hinweg! hinab!
Wann klingt die Glocke du mußt weiter!
Dann komm, komm, sei durch Tod und Grab
Mir Helfer Tröster und Geleiter –
Dann, wann auf all mein Erdennichts
Die letzten Schatten niederdunkeln,
Laß dann den Glanz des sel‘gen Lichts
Mit Himmelsleuchtung mich umfunkeln.