Johann Joseph Winckler – Ringe recht

1. Ringe recht, wenn Gottes Gnade
dich nun ziehet und bekehrt,
daß dein Geist sich recht entlade
von der Last, die ihn beschwert.

2. Ringe, denn die Pfort ist enge
und der Lebensweg ist schmal;
hier bleibt alles im Gedränge,1hier verliert sich im Gedränge
was nicht zielt zum Himmelsaal.2was nicht strebt zum Himmelssaal

3. Kämpfe bis aufs Blut und Leben,
dring hinein in Gottes Reich;
will der Satan widerstreben,3will das Fleisch dir widerstreben
werde weder matt noch weich.

4. Ringe, daß dein Eifer glühe,
und die erste Liebe dich
von der ganzen Welt abziehe;
halbe Liebe hält nicht Stich.

5. Ringe mit Gebet und Schreien,
halte damit feurig an;4halte brünstig damit an;
lass dich keine Zeit gereuen,
wär´s auch Tag und Nacht getan.5Setze Tag und Nacht daran

6. Hast du dann die Perl errungen,
denke ja nicht, daß du nun
alles Böse hast bezwungen,
das uns Schaden pflegt zu tun.6O, es ist noch viel zu tun.

7. Nimm mit Furcht ja deiner Seele,
deines Heils mit Zittern wahr;
hier in dieser Leibeshöhle7hier in dieser Welt voll Fehle
schwebst du täglich in Gefahr.8schwebst du stündlich in Gefahr

8. Halt ja deine Kronen feste,
halte männlich, was du hast.
Recht beharren ist das Beste;
Rückfall ist ein böser Gast.

9. Laß dein Auge ja nicht gaffen9Nichts hab‘ Aug‘ und Hand‘ zu schaffen
nach der schnöden Eitelkeit;10Mit der schnöden Eitelkeit
bleibe Tag und Nacht in Waffen,
fliehe Träg- und Sicherheit.11fliehe träge Sicherheit

10. Laß dem Fleische nicht den Willen,
gib der Lust den Zügel nicht;
willst du die Begierden füllen,12willst du die Begierden stillen
so verlöscht das Gnadenlicht.

11. Fleisches-Freiheit macht die Seele13Im schlesischen Gesangbuch nicht enthalten
kalt und sicher, frech und stolz,
frisst hinweg des Glaubens Öle,
läßt nichts als ein faules Holz.

12. Wahre Treu führt mit der Sünde
bis ins Grab beständig Krieg,
richtet sich nach keinem Winde,14Gleichet nicht dem Rohr im Winde
sucht in jedem Kampf den Sieg.

13. Wahre Treu liebt Christi Wege,
steht beherzt auf ihrer Hut,
weiß von keiner Wollustpflege,15Ringt, wie auch das Fleisch sich rege,
hält sich selber nichts zugut.

14. Wahre Treu hat viel zu weinen,16Im schlesischen Gesangbuch nicht enthalten
spricht zum Lachen: Du bist toll!
weil es, wenn Gott wird erscheinen,
lauter Heulen werden soll.

15. Wahre Treu kommt dem Getümmel
dieser Welt niemals zu nah,
ist ihr Schatz doch im Himmel;
drum ist auch ihr Herz allda.

16.Dies bedenket wohl, ihr Streiter,
streitet recht und fürchtet euch!17kämpfet recht, bezwinget euch,
Geht doch alle Tage weiter,18dringet alle Tage weiter
bis ihr kommt ins Himmelreich.

17. Denkt bei jedem Augenblick,1917-23 nicht im schlesischen Gesangbuch
obs vielleicht der letzte sei?
bring die Lampen ins Geschicke,
holt stets neues Öl herbey.

18. Liegt nicht alle Welt im Bösen?
Steht nicht Sodom in der Glut?
Seele, wer soll dich erlösen?
Eilen, eilen ist hier gut.

19. Eile, wo du dich erretten
und nicht mit verderben willt;
mach dich los von allen Ketten,
fleuch als ein gejagtes Wild.

20. Lauf der Welt doch aus den Händen,
dring ins stillen Zoar ein.
Eile, dass du mögst vollenden,
mache dich von allem rein.

21. Lass dir nichts am Herzen kleben,
fleuch vor dem verborgnen Bann,
such in Gott geheim zu leben,
dass dich ncihts beflecken kann.

22. Eile, zähle Tag und Stunden,
bis dein Bräutgam hüpft und springt,
und wenn du nun überwunden
dich zum Schauen Gottes bring.

23. Eile, Lauf ihm doch entgegen,
sprich: mein Licht, ich bin bereit,
nun mein Hüttlein abzulegen,
mich dürst’t nach der Ewigkeit.

Johann Joseph Winckler (1670 – 1722)

Text aus dem neuen hirschbergischen Gesangbuch von 1793
Anmerkungen nach dem Gesanbuch für Evangelische Gemeinden Schlesiens 1878