Zinzendorf, Nikolaus von – Die Führung des HErrn.

(Matth. 5, 3-10.)

Hebe an, :,: Zion, heb‘ am Elend an,
An der Armut, an dem Staube,
So ist deine Sach‘ getan;
Habe gar Nichts, aber glaube,
Dass der HErr, der treue Seelenmann,
Helfen kann!

Selig sind, :,: die da arm im Geiste sind,
Die Nichts haben, und nicht wissen,
Wo man doch die Dinge sind‘,
Die die Seelen haben müssen:
Denen ist das Recht von Knecht und Magd
Unversagt.

Hoher Gott! :,: öffne Deines Namens Stadt,
Wo die abgejagte Seele
Eine solche Festung hat,
Wie die Taub‘ in ihrer Höhle!
Hilf uns (unser Elend jammert Dich)
Väterlich!

Selig sind, :,: die um’s Heil bekümmert sind,
Die ihr Elend recht bedauren,
Die sich kennen, dass sie blind,
Und in ihren Fesseln trauren;
Denen fällt der Trost in ihren Schoß:
„Ihr seid los!“

Unsre Tür :,: werde Christo aufgetan;
Komm, du Reich der Kraft und Gnade,
Und auf deiner Gassen Bahn
Sei kein Mangel und kein Schade;
Komm, du Reich der Unbeweglichkeit,
In die Zeit!

Seligkeit :,: ist in der Gelassenheit,
Wo die Seelen Nichts begehren,
und durch kurze Arbeitszeit
Sich zur langen Nuh‘ bewähren:
Denen wird der ganze Erdenplan
Untertan.

Herzensherr, :,: Deine Geister lieben Dich,
Die vor Dir vollendet grünen,
Und Nichts tun so williglich,
HErr, als Deinem Willen dienen;
Selig, wer auch in gelassner Still
Leiden will.

Selig ist, :,: wer dem Weltgeist abgesagt,
Und der Sündenlust vergisset,
Wer nach Lebenswasser fragt,
Und wo man das Manna isset;
Wer nach Christi Fülle Hunger hat,
Der wird satt.

Lebensbrot! :,: unentbehrlicher Genuss!
Du bist von dem Himmel kommen,
Weil die Seel verhungern muss,
Die Dich nicht in sich genommen.
Meine Seele hungert nur nach Dir:
Gib Dich mir!

Selig sind, :,: die, von Allem abgewandt,
Nichts als Seelen, Seelen suchen,
Deren Herz, in Lieb‘ entbrannt,
Auch den Feinden nicht kann fluchen!
Diese werden mit Barmherzigkeit
Benedeit.

Vaterherz! :,: Deine Wege sind so tief,
Dass man ihrer leichtlich fehlet;
Aber Der die Seelen rief,
Ehe sie sich Ihn erwählet,
Wird mir Armen (ich will auch verzeih’n!)
Gnädig sein!

Selig sind, :,: die verlangt nach Himmelsfrucht,
Ihrer Seelen nicht vergessen,
Und nur nach des Geistes Zucht
Äußeres und Inn’res messen!
Diese sollen einst in Klarheit steh’n
Und Gott seh’n!

Reiner Geist! :,: sei uns ernstlich, leide Nichts,
Was Dein heilig Antlitz scheuet:
Weil uns aber Licht gebricht,
O so lehr‘ uns, was gedeihet,
Und beschirm‘ uns vor der Schlange Stich
Ritterlich!

Selig ist, :,: wer im treuen Glaubensstreit
Christi Wesen angenommen,
Und zur wahren Friedsamkeit
Mit den Kreaturen kommen;
Solchem gibt den Geist zum Kindschaftspfand
Gottes Hand.

Selig ist, :,: wem nichts Andres übrig ist,
Weil sein Fleisch und Blut gezäumet,
Als dass ihm der Widerchrist
Gift und Gall‘ entgegen schäumet,
Der den letzten Feind am Siegestag
Übermag!

Du bist HErr; :;: Deine Knechte bleiben wir;
Deines Reichs zahllose Weiten,
Deiner Kräfte offre Tür,
Deine ew’gen Herrlichkeiten
Werden uns von auß- und innen klar:
Das ist wahr!

(Im Juni 1731 zu Kopenhagen gedichtet; der Markgräfin Sophia Christina, Mutter der Königin von Dänemark, gewidmet.)