Freylinghausen, Johann Anastasius – Abendlied.

Eigene Weise.

1. Unerschaffne Lebenssonne,
Licht vom unerschaffnen Licht,
Das die Finsternis durchbricht,
Gehe auf zu meiner Wonne
Und bestrahle meinen Sinn,
Da man spricht: Der Tag ist hin.

2. Finster ist mein ganzes Wesen,
Und Ägyptens dunkle Nacht,
Die die Höll hervorgebracht,
Macht, dass ich nicht kann genesen,
Wo nicht deiner Klarheit Schein
Meine Kräfte nimmet ein.

3. Ach, drum dringet meine Seele
Aus der Sünden Dunkelheit
Hin zu deiner Heiterkeit,
Die ich mir zum Trost erwähle,
Wenn der Finsternis Verdruss
Ich mit Schmerzen leiden muss.

4. Denn die Sünde bringt uns Leiden
Als die aus dem Abgrund ist
Von dem, der durch seine List
Uns geführet in ein Scheiden
Von der Liebe, die so zart
Sich ehmals mit uns gepaart.

5. Aber dein Licht ist das Leben,
Das die Toten wecket auf
Und befördert ihren Lauf;
O was Freude kann es geben!
Nichts als lauter Wollust ist,
Wo du Licht und Leben bist.

6. Lass mich diese Wollust schmecken,
Die so keusch und sauber macht,
Dass ich Fremdes gar nicht acht;
Reiße weg die Sündendecken,
Welche machen, dass dein Glanz
Mein Herz nicht erfüllet ganz.

7. O dass doch der Abend käme,
Da es soll so lichte sein,
Und des Geistes heller Schein
Uns dir machte recht bequeme!
Ja, was mehr, dass ich im Sinn
Hören möcht: Die Nacht ist hin!

8. Nunmehr ist der Tag erschienen,
Der nicht seines Gleichen hat,
Da der güldnen Gottesstadt
Soll zur Sonn und Leuchte dienen
Das Lamm Gottes; Gloria,
Auf, Triumph, der Tag ist da!