Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Henoch’s Leben. (Vor seinen Augen schweben)

Vor Seinen Augen schweben,
Ist wahre Seligkeit.
Ein unverrücktes Leben
In der Verborgenheit;
Nichts können und Nichts wissen,
Nichts wollen und Nichts thun,
Als Jesu folgen müssen,
Das heißt in Frieden ruh’n.

Man steht von seinem Schlafe
In Christi Freundschaft auf;
Man fürchtet keine Strafe
Im ganzen Lebenslauf;
Man ißt und trinkt in Liebe,
Man hungerte wohl auch;
Man hält im Gnadentriebe
Beständig einen Brauch.

Wann man den Tag vollendet,
So legt man sich zur Ruh;
Von Christo unverwendet
Thut man die Sinne zu,
Und wünschet selbst den Träumen,
Wenn’s ja geträumt soll sein,
Nichts andres einzuräumen,
Als Christi Wiederschein.

Man geht in einer Fassung
Dahin bei Tag und Nacht,
Und ist auf die Verlassung
Der ganzen Welt bedacht:
Man hört und sieht und fühlet,
Hört, sieht und fühlt doch nicht,
Und wenn uns Schmerz durchwühlet,
Hat man doch Freudenlicht.

Gewiß, wer erst die Sünde
In Christi Blut ertränkt,
Und dann, gleich einem Kinde,
Ihm unverrückt anhängt:
Der wird auch heilig handeln,
Und kann bald anders nicht; (1. Joh. 3,8.)
HErr Jesu, lehr‘ uns wandeln
In Deiner Augen Licht!

(1731.)