unbekannt — Psalm 90.

Hier ist mein Fels, hier will ich stehen!
Gott, mein Gesang, mein Psalm, mein Lob!
Eh noch mit ihrer Berge Höhen
Die Welt aus Wassern sich erhob,
Warst Du schon da, schon Gott wie heut,
Schon Vater einer Ewigkeit.

2. Dein Odem bläs’t in Staub der Erden,
Der plötzlich aufwallt, niedersinkt
Und Menschen sterben, andre werden,
So bald dein Arm aus Wolken winkt.
Wir Staub aus Staub, von gestern her,
Du ewig, ewig eben Der!

3. Dir ist die Zeit von tausend Jahren
Und eine Stunde einerlei;
Und eines Menschen Tage fahren,
So reißend wie ein Strom vorbei.
Sein Leben fliehet wie ein Traum,
Wie Schatten, wie ein Wasserschaum.

4. Wie wallend Gras im feuchten Thale,
Das noch des Morgens blühend steht,
Und nun versengt vom Mittagsstrahle,
Durch Schnitterhände hingemäht:
So ist ein Mensch, o Gott vor Dir!
So blühen, fallen, welken wir.

5. Das ist dein Zorn, daß wir vergehen,
Das ist dein Grimm und dein Gericht!
Denn alle unsre Sünden stehen
Entblößt vor deinem Angesicht!
Wie ein Geschwätz, wie Märchen fliehn
Des Menschen Jahre vor Dir hin.

6. Das kurz gesteckte Ziel der Tage
Ist siebzig, höchstens achtzig Jahr;
Ein Inbegriff von Müh‘ und Plage,
Auch wenn es noch so köstlich war.
Geflügelt eilt mit uns die Zeit
In eine lange Ewigkeit.

7. Herr, so verleihe, daß am Grabe
Ein jeder Sünder seinen Tod
Und jenen Stuhl vor Augen habe,
Der mit Gericht und Hölle droht!
Flamm‘ den Gedanken in ihm an,
Der wahre Klugheit zeugen kann.

8. Nun eilet hin, ihr Menschentage!
Schnell wie ein Strom von Felsen stürzt,
Stürzt schneller, so wird doch die Plage
Des Lebens einmal abgekürzt.
Wie Wolken, die der Wind zerstreut,
Wie Sonnenlauf sei meine Zeit.

9. Hier ist mein Fels, hier will ich sitzen
Gott heißt der Fels, mein Psalm, mein Lob!
Eh‘ noch die Welt mit Felsenspitzen
Aus Wasserstrudeln sich erhob,
War er schon Gott, schon Gott wie heut‘,
Schon Vater einer Ewigkeit!