Claudius, Matthias – Mein Neujahrslied

Es war erst frühe Dämmerung
Mit leisem Tagverkünden,
Und nur noch eben hell genung
Sich durch den Wald zu finden.

Der Morgenstern stand linker Hand,
Ich aber gieng und dachte
Im Eichthal an mein Vaterland,
Dem er ein Neujahr brachte.

Auch dacht‘ ich weiter: „so, und so,
Das Jahr ist nun vergangen,
Und du siehst, noch gesund und froh,
Den schönen Stern dort prangen.

Der ihm dort so zu stehn gebot
Muß doch gern geben mögen!
Sein Stern, Sein Thal, Sein Morgenroth,
Rund um mich her Sein Segen!

Und bald wird Seine Sonne hier
Zum erstenmahl aufgehen!
Das Herz im Leibe brannte mir,
Ich mußte stille stehen,

Und wankte wie ein Mensch im Traum
Wenn ihn Gesichte drängen,
Umarmte einen Eichenbaum
Und blieb so an ihm hängen.

Auf einmahl hört ich’s wie Gesang,
Und glänzend stiegs hernieder
Und sprach, mit hellem hohen Klang,
Das Waldthal sprach es wieder:

Der alten Barden Vaterland!
Und auch der alten Treue!
Dich, freyes unbezwungnes Land!
Weiht Braga hier aufs Neue

Zur Ahnentugend wieder ein!
Und Friede deinen Hütten,
Und deinem Volke Fröhlichseyn,
Und alte deutschen Sitten!

Die Männer sollen, jung und alt!
Gut vaterländ’sch und tüchtig
Und bieder seyn und kühn und kalt,
Die Weiber keusch und züchtig!

Und deine Fürsten groß und gut!
Und groß und gut die Fürsten!
Die Deutschen lieben, und ihr Blut
Nicht saugen, nicht Blut dürsten!

Gut seyn! Gut seyn! ist viel gethan,
Erobern, ist nur wenig;
Der König sey der beßre Mann,
Sonst sey der beßre, König!

Dein Dichter soll nicht ewig Wein
Nicht ewig Amorn necken!
Die Barden müssen Männer seyn,
Und Weise seyn, nicht Gecken!

Ihr Kraftgesang soll Himmel an
Mit Ungestüm sich reissen! –
Und du, Wandsbecker Leyermann,
Sollst Freund und Vetter heissen!

 

Asmus omnia sua secum portans,
oder
sämtliche Werke
des
Wandsbecker Bothen,
I. und II. Theil.
Carlsruhe,
bey Christian Gottlieb Schmieder
1784.