Zinzendorf, Nikolaus von – Vom Glauben und von der Besprengung des Blutes Christi.

Du ein’ger Glaubensvater,
Der Du die Menschen lehrst,
Und zu dem Heilserstatter,
Dem Sohn, ihr Herze kehrst:
Wir möchten gerne wissen,
Was Glauben auf sich hat,
Wie wir, dem Fluch entrissen,
Verbessern Wort und Tat.

Wenn wir es recht erfahren,
So ist des Glaubens Art,
Dass er mit Unsichtbarem
Und Geistlichem rich paart,
Und hält sich an den Dingen
So fest, so lebhaft au,
Als man es kann vollbringen,
Wenn man sie sehen kann.

Drum haben äußre Sachen
Und Übungen den Sinn,
Uns eingedenk zu machen
Aufs Unsichtbare hin:
Und wer an solchen Werken,
Weil er sie mitgemacht,
Will seinen Glauben merken,
Der hat’s nicht recht bedacht.

Dass wir den Glauben haben,
Beweist auch das noch nicht,
Wenn wir von Gottes Gaben
Mit unser Teil gekriegt:
Das sind Gelegenheiten,
Dabei uns Gottes Güt
Nur immer noch von Weitem
Ein wenig an sich zieht.

Was bleibt denn nun ein Glaube,
Dadurch man Gott gefällt,
Wenn ich Ihm Alles raube,
Was man für Glauben hält?
Merk‘: Glauben heißt vertrauen
Auf das, was wir nicht seh’n,
Und hoffen’s doch zu schauen,
Weil’s unser Wohlergeh’n.

Ein Mensch kann endlich wissen,
Dass Du im Himmel bist:
Man weiß in Finsternissen,
Dass eine Sonne ist;
Allein das heißet gläuben,
Wenn uns ein gut Vertrau’n
und Liebsbegierde treiben,
uns nach Dir umzuschau’n.

Das Herz muss von der Erden,
Daran es feste hangt,
Erst losgerissen werden,
Eh‘ es nach Dir verlangt:
Die Lust der Ewigkeiten
Belustigt in der Tat
Nur Herzen, die in Zeiten
Danach verlanget hat.

Was will ich daran glauben,
Dass ich zwar haben kann,
Allein ich lass mir’s rauben,
Und nehme mich’s nicht an!
Die ganze Art der Sachen
Ist wider meinen Brauch,
Und kann mich traurig machen:
So glaubt der Teufel auch!

Darum, Du großes Wesen,
Der Du die Liebe bist,
Soll eine Seel‘ genesen,
So weißt Du, wie es ist:
Du musst sie glauben lehren,
Zuerst sie von der Welt
Und falschen Lust abkehren,
Da wird sie bloß gestellt.

So kann sie nun nicht bleiben,
Sonst wär’s um sie getan:
Sie fühlt ein ander Treiben;
Fasst nun von Neuem an:
Das dünkt ihr angenehmer,
Und leicht und wunderschön,
Für Leib und Seel‘ bequemer;
Sie möcht’s auch gerne seh’n.

Allein sie wohnt im Leibe,
Drum wird ihr beigebracht:
Du kannst nicht sehen, gläube!
Bis Ich dich frei gemacht.
Da sehnt sich denn die Seele,
Da will sie gerne hin:
Schon in der Leibeshöhle
Belustigt’s ihren Sinn.

Dieweil sie denn nun fühlet,
Dass sie gebunden sei,
Und nach der Freiheit zielet,
So macht sich Gott herbei:
Auf diesen muss sie bauen,
Dass Er ihr helfen kann,
Und seinem Wort vertrauen:
So ist die Sach‘ getan.

Und also kommt der Glaube
Auf Überzeugung an:
Dass ich dem HErrn erlaube,
zu machen, was Er kann;
Wenn ich mein Elend merke,
So trau‘ ich mir nichts zu,
Und such‘ in Gottes Stärke
Für meine Seele Ruh‘.

Dann will ich gerne werden,
Wie Gott mich haben will;
Zieht Er mich von der Erden,
So halt‘ ich gerne still;
Ist mir die Zucht empfindlich,
So tut sie mir auch wohl;
Und weil die Liebe gründlich,
So will ich, was ich soll.

Wohlan, Du Glaubenszeuge, (Off. 3,14.)
Dies wirke denn in mir,
Dass sich mein Wille beuge,
Wo ich mein Elend spür‘;
Dass ich von allem Dinge,
So Du nicht bist, entwöhnt,
Gott solch ein Herze bringe,
Das sich nach Christo sehnt!