Die Zeit ist hie, das grosse leiden
Ist länger nun nicht zu vermeiden,
Die centner-schwere sündenlast,
So je die sterblichen auff erden
Begangen und begehen werden,
Lest mir nun länger keine rast.
Was war es groß, den himmel lassen,
Der hohen Gottheit aller massen
Sich eussern, und erniedrigt gehn?
Was war es grosses, sich nicht schämen
Des menschen wesen anzunehmen,
Mit fleisch und blut bekleidet stehn?
In sein selbst eigenthumb zu kommen
Und doch nicht werden auffgenommen,
In tieffster armut immerdar
Vernichtet und verachtet leben,
Sich müssen auff die Aucht begeben,
Erdulden kummer und gefahr?
Ietzt werden erst die grossen plagen
Recht über mich zusammenschlagen,
Gott, deines eiffers wilde flut
Wird seinen abgrundt auff mich stürtzen
Und meinen athem mir verkürtzen,
Mehr, als der winde wütten thut.
Ich seh‘ es kommen schon gezogen,
Herr, alle deine wasserwogen,
Wie stürmt dein eiffer doch so sehr!
Die grosse flut wil mich erseuffen,
Die ungezämbte wellen heuffen
Und stärcken sich je mehr und mehr.
Das strenge wütten deiner nasen
Wil wider mich ein feur auffblasen,
So alle meine lebens-krafft
Wird gar außdörren und außsaugen,
Biß meine glieder nicht mehr taugen,
Und ich werd‘ in den staub gerafft.
Es schärffen löwen ihre klauen
Und lassen wieder mich sich schauen,
Viel ochsen sind auff mich ergrimmt,
Ich seh‘ einhörner auff mich rennen,
Die zahl der feind‘ ist nicht zu nennen,
Die wieder mich zusammenstimmt.
Das ungeheure reich der hellen
Gedenckt am meisten mich zu fellen,
Der alte drache nimmt sein gifft,
Mir einen mordstreich beyzubringen,
Sein gantzes heer wil mich verschlingen,
Durch alles, was die seele trifft.
Sie wollen mich wie weitzen sichten,
Die pfeile, so sie auff mich richten,
Sind alle gifftig zugespitzt,
Gefiedert nur mit list und triegen,
Sie meinen stracks mir obzuliegen,
So sehr sind sie auff mich erhitzt.
Sie suchen ihre krafft zusammen,
Die eusserste gefahr der flammen,
Das allerärgste seelenweh‘
Als je gewest, sol mich versencken,
Man hoffet ganz mich zu ertrencken
Im tiefsten schlam der höllen-see.
Ich werde wie ein hirsch geplaget,
Der von den hunden wird gejaget,
Leufft schnell und furchtsam durch den wald,
Schreyt jämmerlich und suchet hecken,
Sich vor den winden zu verstecken,
Und find doch nirgends auffenthalt.
Die hunde wollen nicht ablassen
Und meinen jetzt nur anzufassen,
Das arme wild ist über das
Auch von der schlangen wund gebissen
Und sehnet sich nach kühlen füssen,
Biß daß es fellet müd‘ und laß.
Ierusalem, du wirst zu dancke
Mir werden meine marterbande,
Wie sehr hast du mir nachgestellt
Und deine zähn‘ auff mich gewetzet?
Ich werde darumb auch erhetzet
Und jämmerlich in dir gefellt.
Hie werd ich durch den stich der schlangen
Am holtze werden auffgehangen,
Hie wird das opffer abgethan,
Das alle welt von ihren sünden
Sol ledig machen und entbinden,
Hie stirbt der rechte pelican.
Der hohepriester wird sein leben
Hie selber zum schuldopffer geben,
In allerheiligst einzugehn,
Hie wird man mich am creutze tödten,
Doch wil ich, todt, auß deinen nöthen
Nach dreyen tagen anfferstehn.
Nun weistu, Gott, wie ich gewandelt,
Und ob ich wieder dich gehandelt;
Ich bin mir keiner schuld bewust,
Man such‘ in meine lehr‘ und worte,
Man forsche meines hertzens pforte,
Wie du, geliebter vater, thust.
Wird etwas nur in den gedancken
Von des gesetzes richtschnur wancken,
So wil ich ewig sein ein raub;
Es werde meiner gantz vergessen,
Der feind sol meine seele fressen,
Man mache mich zu spreu und staub.
Doch wil ich alles gerne dulden,
Ich wil bezahlen frembde schulden,
Man mag, mein leben und mein blut
Zu rauben, mich zur schlachtbanck führen,
Ich wil auch meinen mund nicht rühren,
Recht wie ein stummes lämblein thut.
Sie mögen fälschlich mich verklagen
Und eitel lügen auff mich sagen,
Sie gehen wieder mich zu rath,
Sie bringen auff mich falsche zeugen,
Ich aber wil zu allem schweigen,
Als der kein wiederreden hat.
Ich lasse mich mit dornen krönen,
Verspeyen, geisseln und verhönen,
Mit mördern gleich geschätzet stehn,
Ich wil mich auch zur erden bücken,
Mein creutz zu tragen auff dem rücken
Und so zu meiner wahlstat gehn.
Diß thu ich, vater, deinen willen
In allen stücken zu erfüllen;
Es schreibt dein weises buch von mir,
Ich hab‘ auch in den todes-schmertzen,
Herr, dein gesetz in meinem hertzen,
Und wil es halten für und für.
Nur las hiedurch dein grosses toben
Und heissen zorn sein auffgehoben,
Nim meine schafe wieder an,
Denn daß ich so geplaget werde,
Macht einig diese meine herde,
Von der ich gantz nicht lassen kan.
Was böses je von ihr geschehen,
Was sie verseumet und versehen,
Das bring‘ ich richtig wieder ein,
Und was bey ihr nicht wird gefunden,
Das schöpffet sie auß meinen wunden,
Die ihr zu gut geschlagen seyn.
Ich wil ertragen alle straffe,
Nur schone meiner armen schaffe,
Ich trette zwischen dich und sie,
Und wil sie vor den grossen blitzen
Und donnern deines wetters schützen,
Als ein sehr schwaches, zartes vieh,
Ein volck, das gentzlich mich verstehet,
Wie tieff es in dem irrthumnb gehet,
Ein hauffe, der sich selbst nicht kennt,
Der zu dem guten ist erstorben,
An leib‘ und seele gantz verdorben,
Der willig zu der hellen rennt.
Ihr aber, die ich vom verderben
Erlöse durch mein blut und sterben,
Ihr menschen, seht, wo meiner noth
Der höchste jammer was wird schencken,
So sol der kelch mich zweymal trencken,
Den Gott mir giebt auff meinem todt.
Wo wird gehöret und gelesen,
Daß jemand so geplagt gewesen
Und so verhönt, als ich muß seyn?
Nichts, was da lebt, hat solche wunden
An seiner seel‘, als ich, empfunden,
Nichts wird verglichen meiner pein.
Hiezu hat mich sonst nichts getrieben,
Als daß ich euch so sehr muß lieben;
Ich seh‘ in was für noth ihr seid,
Ich seh‘ euch ewiglich verlohren,
Die ihr zum leben seid erkohren,
Es sey, daß jemand euch befreyt.
So kompt nun her, in meinen banden
Sol eure freyheit sein vorhanden,
Von meiner scheuflichen gestalt
Solt ihr den besten ziehraht nehmen,
In meinem höchsten spott und schämen
Steht euer bester auffenthalt.
Mein grosser durst sol euren stillen,
Und euch mit lebens-wasser füllen,
Das rohr, die spitze dornen-krohn‘,
In der ich muß verächtlich sterben,
Macht euch zu meines reiches erben,
Mein staub gedeyet euch zum lohn.
Mein trauren dienet euch zur freuden,
Und meine blösse sol euch kleiden,
Mein darben ist eur höchstes gut,
Mein niedriggehn sol euch erheben,
Mein herber todt ist euer leben,
Und eure reinigung mein blut.
Ich schwer‘ euch bey dem falschen küssen,
Bey meinen durchgebohrten füssen,
Und was man kläglichs an mir schaut,
Bey meinem kümmerlichen heulen,
Und blutig unterlauffnen beulen,
Bey meiner ausgedehnten haut,
Ich schwer euch bey dem todesstreiten,
Bey meiner auffgespaltnen seiten,
Und dem, wodurch die böse rott‘
Ietzt wieder mich sich hat empöret,
Bey allem, welches mich unehret,
Bey meinem grossen hohn und spott,
Ich kan euch hertzlicher nicht lieben,
Noch euch zu gut was mehr verüben;
Nur kompt zu mir, damit ich euch
Durch meinen reichen trost erquicke,
Und dann gewünschet nach mir zücke
In Gottes, meines vatern, reich.
Wer aber auff mein freundlich locken
Nicht kömpt, und wil sein hertz verstocken,
Wer sich an mein verdienst nicht helt,
Den lass‘ ich in des sathans ketten,
Dieweil euch anders zu erretten
Es meinem vater nicht gefellt.