Savonarola, Girolamo – Ein Psalm

1495

Ich will dich lieben Herr, mein Schutz und Halt,
Dich lieben ewig, meiner Seele Zier,
Mein Jubel du, der nie zu Ende schallt.
Mein Leben lebet mir nicht mehr, nur dir.
Es sank hinab in meines Elends Noth,
Dein reich Erbarmen riß es aus dem Tod.
Du machtest zeitlich mir der Hölle Nacht,
Du hobest mich aus ihrem Todesthor
Zur Stimme deines Lobgesangs empor.
Dank dir, mein Gott, daß du mich freigemacht,
Dank dir, mein Licht, das mich zum Licht gebracht,
Dank dir, o Liebe mein, die mich verwundet.
Spät hab‘ ich dich gefürchtet, Herr der Macht,
Spät, uralt hohe Schönheit dich erkundet,
Du ew’ge Liebe, dich so spät geliebt.
Ich suchte dich, der Ruhe ist und giebt,
Ein schlimmer Sucher, der dich nimmer fand,
Ich suchte draußen dich im Sinnenland
Und du bist immer in dem Geisteshaus.
Ich ging nach dir auf allen Wegen aus,
So fern von dir, der mir so nahe war.

Die Erde frug ich, bist du Gott? die Sonne,
Die blaue Luft, die hohe Feuersäule.
Sie sprachen Alle- „Er ist in der Höh,
Hinauf mit Flügeln zu dem Wahren eile!“
Den Himmel fragt‘ ich, seiner Sterne Heer.
Es rief: er wandelt über mir umher.
Als meinen Gott rief ich das Weltall an.
Mit großer Stimme straft es meinen Wahn:
„Ich bin aus Nichts und was ich bin durch ihn.
Er nimmt den Himmel und die Erde ein,
Er füllt dein Herz, du siehst ihn, seh hinein.“ –
Durch die mein Gott in meine Seele bog.
Wo ist die Pforte, da die Lieb‘ einzog?
Das Auge sagte: mir erschien er nicht.
Im Farbenkleide tretend in mein Licht.
Es sprach das Ohr: ich hab‘ ihn nicht gehört.
Im leisen Dufte ist er nicht gekommen.
Du warst in mir, kein Sinn hat dich vernommen;
Du leuchtest, wo kein Ort dein Licht umkreist,
Du tönest, wo dein Rufen nie verweht.
Du hauchest, wo dein Odem nie vergeht.
Und du umarmst, wo nichts mehr von dir reißt.
Was bist mein Gott du, meine Liebe du?

Da rief es drinnen meiner Seele zu:
„Geh in dein Herz, da wird dein Gott erscheinen,
Und größer als dein Wissen und dein Meinen.“
Du bist die Macht und Seligkeit allein,
Der Kön’ge König und der Herr der Herrn:
Aus dir quillt die Unsterblichkeit allein.
Du leuchtend Licht bist unerforschlich fern.

Kein Wort erreicht dich, wie es dich erhob.
Du größer als bas Herz, als all‘ sein Lob.
Wer faßt die Liebe, die des Sohnes Leben,
Den Knecht zu retten, hat dahingegeben.
Die mir zu Hütern ihre Engel schuf!
Ich irrte weg von dir, es kam dein Ruf.
Du klopftest an die Thüre, sie blieb zu.
Herz, deiner falschen Tugend trautest du!
Ich stand so fest und ach, ich sank so tief.
Ich floh, wenn ich nach meiner Tugend lief,
Ich liebte Eitelkeit und ward ihr Kind,
Die Blindheit liebt‘ ich, denn ich war ja blind.
Die Knechtschaft liebt‘ ich, denn ich war ihr Knecht,
Und waren mir die schnöden Bande recht.

Dem Süßen bot ich bittern Streit
Und süß war mir die Bitterkeit.
Mein Elend hab‘ ich nie erkannt.
Zum Sünder hast du dich gewandt.
Ich lag, du hast mich festgestellt.
Nichts wüßt‘ ich, du hast mich gelehrt.
Sah nichts mehr, du hast mich erhellt.
Mich loszukaufen um dein Blut begehrt.
Mich liebtest du vielmehr als dich,
Du giengest in den Tod für mich.
Hast mich um diesen heimgebracht,
Mich von dem Urtheil losgemacht.
Mit deinem Namen mich benannt,
Bezeichnet mich mit deinem Blut,
Daß dein Gedächtniß daure gut,
Wie mein’s am Kreuz in dir bestand.

Kennt‘ ich dich, wie du mich erkennst,
In Kraft durch meine Seele brennst!
Enthüll‘ dich mir, o Zuversicht,
Laß sehn dich, meiner Augen Licht!
O komm‘ zu mir, du Geisteslust,
Du Jubel der befreiten Brust,
Wer dich erkennt, der liebet dich,
Vergisset sein und liebet dich,
Verläßt sich, daß er zu dir komme,
Daß ihm die bessere Liebe fromme.

Vertreibe, Herr, der Seele Nacht,
Bis dein Gedächtnis! mir erwacht,
Mein Auge froh wird, wenn es dich erkennt,
Mein Herz in deiner Liebe brennt.
Wie war‘ es gut, dir anzuhangen,
Auf dich zu fetzen mein Verlangen!
Doch Sterbliches umfängt der Geist,
Wo Wort und Denken von dir reißt.
Wann trachtet mein verkehrter Sinn
Nach deinen rechten Bahnen hin?
Dir ist sie lieb, die Einsamkeit,
Mir des Getümmels Lärm und Streit.
Du liebst das Schweigen, ich Geschrei,
Die Wahrheit du, ich Eitelkeit,
Die Reinheit du, ich Flätherei.

Herr, thu‘ dich meinen Augen kund.
Mach‘ mir in Lieb‘ die Seele wund.
Du leite mich auf deinen Steigen,
Laß meine Schritte nicht mehr gleiten,
Mach‘ den Gefangenen dir eigen.
Und sammle liebend die Zerstreuten.
Ich bin zerrissen, stell‘ mich her.
Erhebe mich, ich siel so schwer.
Gib mir ein Herz, das dich bedenkt
Und ein Gemüth, das zu dir lenkt,
Herr, eine Seele, die dich liebt.
Den Willen, der dich nie betrübt.
Nah sey der Seele, nah dem Mund,
Der That nicht fern, thu deine Hülfe kund,
Ja sey mir nah, eh‘ Liebe muß verderben:
Herr, ohne dich kann ich nur sterben.
Ja sey mir nah, und denk‘ ich dein.
So hauche dein Odem mir Leben ein.
Deine süße Stimme mir Liebeslust,
Bist du bei mir, wird satt die Brust.

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

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