Mit selgem Schauer lese ich die Züge
Von deiner teuren, vielgeliebten Hand;
Ist es mir doch, wenn ich sie seh, als trüge
Ein Engel mich zu dir ins ferne Land;
Du bist mir nah und Raum und Zeit verschwinden,
Wie sie uns einst in leichtem Geistesflug
Weit über Land und Meere ließen finden,
So lang mein Leber seine Krone trug.
Du tot, und diese Liebeszeichen leben
In flüchtgen Lettern Flüchtigem vertraut?
Du tot, und was du im Vorüberschweben
Berührt, als wärs aus Ewigem gebaut?
Was du mir Treues, Liebes hast geschrieben,
Von deinem Licht ein holder, milder Schein,
Wie jetztgezaubert, und dein ganzes Lieben,
Dein Licht, dein Herz in einem Totenschrein?
Wenn schon dem Blatt, das hier die Hand berühret,
Unsterbliches die Liebe eingehaucht,
Ist nicht der Geist, der diese Hand geführet,
In Morgenlicht und Ewigkeit getaucht?
Er ist und bleibet, was er ist gewesen;
Die Strahlen sind die Sonne selber nicht,
Und was von Gottes Zügen er gelesen,
Vergisst er auch in Ewigkeiten nicht.
War nicht dein Herz, so lang es hier geschlagen,
Ein Brief des Herrn von seiner eignen Hand?
O eitle Furcht, dass je ein solches Tagen
Für immer sich in Nacht und Tod gewandt!
Was Gottes Geist mit Flammenschrift geschrieben
In ein lebendges, warmes Menschenherz,
Das trägt das Zeichen von dem ewgen Lieben,
Und seine Schrift ist dauernder als Erz.
Und wenn das Klarheit hatte, was vergangen,
Was Tod und Leben in einander trug,
Wie steht es nun in lichtem Himmelsprangen,
Seit sich das Leben von dem Tod entschlug!
Wie spiegelt sich in ihm des Herren Klarheit
Mit aufgedecktem, heilgem Angesicht,
Verklärend sich von Wahrheit fort zu Wahrheit,
Und seine Leuchte strahlt und endet nicht!
O dass wir Augen hätten, sie zu schauen,
Dass uns die Decke wäre abgetan!
Geduld, Geduld und gläubiges Vertrauen,
So dürfen wir auch unsrer Sonne nahn.
O dass wir wollten! Gottes Wunder lägen
Schon jetzt vor uns als wie der helle Tag,
Der nur dem blinden und dem sinnesträgen
Gemüt sich immer neu verdunkeln mag.
Der Geist des Herrn ist Freiheit; frei erheben
Wir schon im Staub zu ihm das Haupt empor;
Wie wird das Herz in Licht und Wonne schweben,
Bricht einst die ganze Herrlichkeit hervor!
In Allen soll sich seine Klarheit spiegeln,
Und was er jetzt noch schonend uns verhüllt,
Er wird es uns zu seiner Zeit entsiegeln,
Und seines Wortes Eidschwur wird erfüllt.