Unbekannter Übersetzer – Dies irae – 1838

1. Jener Tag, der Tag des Zornes,
Löst die Welt in Staub und Asche,
Wie es David offenbaret.

2. Welches Zittern, welches Beben,
Wann der Herr sich wird erheben,
Richten über Tod und Leben!

3. Die Posaun‘ im Wundertone
Ruft, wer auch im Grabe wohne,
Jeden hin zum höchsten Throne.

4. Tod, Natur mit Staunen sehen
Dann die Creatur erstehen,
Rede vor Gericht zu stehen.

5. Und ein Buch wird sich entfalten,
Worin alles ist enthalten,
Ob der Welt Gericht zu halten.

6. Wenn der Richter also richtet,
Wird, was heimlich war, berichtet,
Ungerochen Nichts geschlichtet.

7, Was soll dann ich Armer sagen?
Welchen Schutzgeist soll ich fragen,
Da Gerechte selber zagen?

8. König, furchbar hoch erhaben,
Lass mich Teil an deinen Gaben,
Teil an deiner Gnade haben!

9. Frommer Jesu, meinetwegen
Kamst du; nicht mit Fluch, mit Segen
Komm an jenem Tag‘ entgegen!

10. Ach, auf rauhen, dunkeln Pfaden
Gingst du müde, schwer beladen,
Starbst am Kreuz, mich zu begnaden!

11. Mit Versöhnungsblut besprenge,
Richter, meiner Sünden Menge
Vor dem Tage deiner Strenge!

12. Mein Gewissen quält mich Bangen,
Und es rötet Schuld die Wangen,
Gnade lass mich, Gott, erlangen!

13. Du, der lossprach einst Marien,
Und dem Schächer hast verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

14. Zwar nicht würdig ist mein Flehen;
Lass mich, Vater, Gnade sehen,
Nicht in’S ew’ge Feuer gehen!

15. Zu den Schafen mich geleite,
Von den bäcken stets mich scheide,
Stellend dir zur rechten Seite!

16. Ruf_, wenn in der Hölle Flammen
Sinken, die du wirst verdammen,
Mit den Sel’gen mich zusammen!

17. Herr, zerknirscht im Staube wende
Flehend ich zu dir die Hände:
Sorge für mein letztes Ende!

18. Tag voll Tränen, den mit Grauen
Schuldbewusst der Mensch wird schauen,
Auferstehend aus der asche,
Lass ihn also Gnade finden!

19. Frommer Jesu, Mittler du,
Gib, dass sie in Frieden ruh’n!

unbekannt – Ermunterung zur Buße.

Waket up, gy (d. i. ihr) Christen alle,
Waket up mit ganzem Flyth
In dessem Yammerdale!
Waket up! Ydt ys mehr denn Tydt.
De Here werd bald kamen,
De Dach will ein’n Avendt ban.
De Sünder werd he vordämen;
Wol (d. i. Wer) mach vor em bestan?

Geld, Gudt kann uns nicht baten (bessern);
Uns helpt noch hoge Modt.
Du moßt ydt forts vorlaten,
Wente dar kummt de bitter‘ Dodt.
All bist du schon van Farwen,
All bist du junck und ryck:
Godt kann dy bald vorderven
In einem Ogenblick (Tydt).

Darum gy Christen alle,
De hyr thosamen syth,
Latet juwen Homodt fallen,
Und wachtet (wartet) up de Tydt.
Will go by Gade leven,
So söket dat ewige Gut;
He werd juw (euch) rycklick geven,
Und helpen uth aller Nodt.

Gades Wort ys uns gegeven
Uth groter Barmherticheit,
Dat wy darna schöln leven
Und maken uns bereit.
So lat uns dar nu faten
Und kleven vast daran;
Will wy dat nu vorlaten,
So ys et mit uns gedan.

Och! weer‘ he nicht gebaren,
De Gades Wort voracht’t!
Ydt ys mit em vorlaren,
De wandert all in der Nacht.
Vull Laster und vull Schande,
Und spottet mit Gades Wort.
O weh dem groten Elende!
Syn‘ Seel werd ewig vormordt.

De Armen, by juw wahnen,
Will dar juw Ogen up slan;
Se werden juw vorklagen,
Wenn gy vor dem strengen Ordel stan.
Dat werde gy wol wethen,
Dat Gott nicht tho vorgelden steit;
Und de den Armen heft Gudt gedan,
De werd syn’n Lohn entfahn.

unbekannt – Christus, Lehrer und Vorbild der Genügsamkeit.

O Mensche, wollst bedenken
Mein bitter Leiden groß!
Ich will dir wieder schenken
Das Leben für den Tod.
Bey mir so sollt du bleiben;
Ich hab‘ dir durch mein Leiden
Den Himmel aufgethan.

Ich hab‘ sich nicht erlöset
Durch Silber noch durch Gold;
Hat mich mein Blut gekostet:
Wie bist du denn so stolz?
Auf Erden Schätz‘ zu ‚rwerben
In deiner Seel Verderben,
Gab ich dir auch die Lehr‘?

Wer zeitlich Gut begehret
für meine Gütigkeit,
Das dann der Rost verzehret,
Dem wird es ewig leid.
Wohl in des Himmels Throne
Da find’st du also schone
Den Schatz der Seligkeit.

Die Lilien auf dem Felde,
Wie zierlich sie da stahn!
Bezahlen nicht mit Gelde
Die Schönheit, die sie han.
Salomon in seinem Gewade
War nicht gleich einem Blade
Derselben Lilien eins.

Die Vöglein in den Lüften
Sich freuen ihrer Nest‘;
Die Füchs‘ in ihren Klüften
Haben von mir die Vest‘.
Ich hab‘ gar nichtes eigen,
Drauf ich mein Haupt mogt‘ neigen;
Was Gebrechen habt ihr denn?

Ist mein doch Himmel und Erde,
Und all’s was drinnen ist.
Mein Volk zu Fuß und Pferde
Hab‘ ich geführt ohn‘ List
Wohl aus Aegypten-Lande
In Starkheit meiner Hande
In das gelobte Land.

Es sollen nicht auf morgen
Die treuen Diener mein
für Speis und Kleider sorgen;
Die Sorg‘ ist mein allein.
Ich will euch all‘ ernähren,
Vor’m Hunger euch erwehren;
Fürwahr, ihr’s glauben sollt.

Darum laßt euch begnügen
Am selben, was ihr han;
Ich will euch wohl zufügen
Eur‘ Nothdurft sonder Wahn.
Ihr sollt gar nicht verzagen,
Wenn ihr am jüngsten Tage
Vor’m Sohn des Menschen stahn.

unbekannt – Das Welt Gericht (Dies irae)

Es ist gewißlich an der Zeit,
Daß Christ, der Herr, wird kommen
In seiner großen Herrlichkeit,
zu richten Bös‘ und Frommen.
Da wird das Lachen werden theu’r,
Wenn alles wird vergehn durchs Feu’r,
Wie Petrus davon zeuget,

Posaunen wird man hören gahn
Ab aller Werlet Ende;
Denn Gott wird fordern für sein’n Thron
Menschen gar behende.
Da wird der Tod erschrecken sehr,
Wenn er wird hören neue Mähr,
Daß alles Fleisch soll leben.

Ein Buch wird da gelesen bald,
Darinn so steht geschrieben,
Wie Gott will richten Jung und Alt;
Nichts wird verborgen bleiben.
Da wird ein’m jeden komm’n zu Haus,
Was er hie hat gerichtet aus
In seinem ganzen Leben.

Was wird‘ ich armer Sünder dann
Für deinem Richtstuhl sagen?
Was werd‘ ich für ein’n Fürsprech han,
Der meine Sach‘ austrage?
Das wirst du thun, Herr Jesu Christ,
Dieweil daß du gekommen bist,
All‘ Sünder zu erlösen.

Herr Jesu Christ, du machst es lang‘
In diesen bösen Tagen.
Auf Erden ist den Leuten bang;
Laß sie doch nicht verzagen.
Schick ihn’n den Tröster, den heilig’n Geist,
Der sie in alle Wahrheit leit,
Durch Jesum Christum, Amen!

unbekannt – Christensinn beym Genuß der Speise.

Dich bitten wir, deine Kinder,
O Vater, Herre Gott:
Mach unser Sorgen minder,
Gieb uns das täglich‘ Brodt,
Erhalt uns unser Leben,
Das du uns hast gegeben,
Bis wir jen’s erben dort!

Gesegen‘ mit dem Munde,
Was du uns hast beschert,
Daß es uns sey gesunde;
Die Kraft werd‘ uns gemehrt,
In deinem Dienst zu bleiben,
Die Werk der Lieb‘ zu treiben
Allzeit geg’n jedermann.

Wollst deine Lieb‘ beweisen
Und Allen schaffen Rath,
All‘ Hungerige speisen,
Mit Gütern machen satt,
Daß wir dich alle loben,
Dein‘ Güt‘ herab von oben
Erkennen stets mit Dank.

unbekannt – Nachfolge Christi.

Kommt her zu mir, sagt Gottes Sohn,
All, die ihr seyd beschweret nun,
Mit Sünden fast beladen,
Ihr Jungen, Alten, Frau und Mann!
Ich will euch geben, was ich han,
Und heilen euren Schaden.

Mein Joch ist süß, mein‘ Bürd‘ ist ring;
Wer’s nach mir trägt in dem Geding,
Daß er der Höll‘ entweiche,
Ich will ihm treulich helfen tragen;
Mit meiner Hülf‘ wird er erjagen
Das ewig‘ Himmelreiche.

Wie ich hab‘ than und gelitten hie
Mein’s Vaters Willen spat und früh,
Also sollt ihr’s erfüllen.
Was ihr gedenkt, ja red’t und thut,
Das wird euch alles werden gut,
Wenn’s g’schicht nach Gottes Willen.

Gern wollt‘ die Welt auch selig seyn,
Wenn nur nicht wär‘ die Schmach und Pein,
Die alle Christen leiden.
So muß es doch nicht anders seyn;
Darum ergebe sich nur drein,
Der ewig‘ Pein will meiden.

All Creatur’n bezeugen das;
Was lebt im Wasser, Lüft und Gras,
Durchs Leiden muß es enden.
Wer denn in Gottes Nam‘ nicht will,
Der muß zuletzt in’s Teufels Ziel
Mit schwerem Gewissen länden.

Heut ist der Mensch schön, jung und lang,
Und morgen wird er tödtlich krank;
Bald soll er auch gar sterben.
Gleichwie ein Blumen auf dem Feld,
Also wird diese schöne Welt
In einem Huy‘ verderben.

Dem Reichen hilft gar nicht sein Gut,
Dem Jungen nicht sein stolzer Muth;
Er muß aus diesem Mayen.
Wenn einer gäb‘ die ganze Welt,
Das Silber, Gold und alles Geld:
Noch muß er an den Reyen.

Was hilft den G’lehrten große Kunst?
Der weltlich Pracht? Es ist umsonst,
Sie müssen alle sterben;
Wer sich in Christum nicht ergeit. (d. i. ergiebt),
Dieweil noch ist der Gnaden Zeit,
Ewig muß er verderben.

Die Welt erzittert ob dem Tod;
Wenn jetzund kommt ihr große Noth,
Denn will sie erst fromm werden.
Der schaffet dis, der ander‘ das;
Sein selbst er aber ganz vergaß,
Dieweil er lebt auf Erden.

Und wenn er nimmer leben mag,
So hebt er an ein‘ große Klag,
Will sich erst Gott ergeben.
Ich sorg‘ fürwahr, daß Gottes Gnad‘,
Die er allzeit verspottet hat,
Ob ihm werd‘ schwerlich schweben.

Darum hört, merkt, ihr lieben Kind,
Die jetzund Gott ergeben sind:
Laßt euch die Müh‘ nicht reuen,
Halt’t vest am heiligen Gottes-Wort,
Das sey eu’r Trost und höchster Hort;
Gott wird euch schon betreuen. (al. erfreuen).

Nicht Uebel ihr um Uebel gebt,
Schaut, daß ihr hie unschuldig lebt;
Laßt euch die Welt nur affen.
Gebt Gott die Rach‘ und alle Ehr,
Den engen Steig geht immer her;
Gott wird die Welt fein strafen.

Wenn es euch gieng nach Fleisches-Muth
Mit Gunst und Gesund, mit großem Gut,
Würd’t ihr gar bald erkalten;
Darum schickt Gott die Trübsal her,
Damit eu’r Fleisch gezüchtigt werd‘,
Zur ewigen Freud‘ erhalten.

Ist euch das Kreuz so bitter und schwer?
Gedenkt, wie’s höllisch Feuer wär‘,
Darein die Welt muß rinnen;
Mit Leib und Seel‘ wird Leiden seyn,
Ohn‘ Unterlaß die ewig‘ Pein,
Und kann doch nicht verbrinnen.

Ihr aber werd’t nach dieser Zeit
Mit Christo haben ewig Freud;
Dahin sollt ihr gedenken!
Kein Zunge das aussprechen kann,
Die Glori uid den ewigen Lohn,
Die euch der Herr wird schenken.

Und was der ewig g’waltig‘ Gott
In seinem Geist versprochen hat,
Geschwor’n bey seinem Namen,
Das hält und giebt er g’wiß und wahr;
Der helf‘ uns an der Heiligen Schaar
Durch Jesum Christum. Amen!

Unbekannt – Ich ruf‘ zu dir, Herr Jesu Christ!

Ich ruf‘ zu dir, Herr Jesu Christ!
Ich bitt‘, erhör‘ mein Klagen,
Verleih‘ mir Gnad‘ zu dieser Frist,
Laß mich doch nicht verzagen!
Den rechten Weg, o Herr, ich mein‘;
Den wolltest du mir geben,
Dir zu leben,
Mei’m Nächsten nütz‘ seyn,
Dein Wort zu halten eben.

Ich bitt‘ noch mehr, o Herre Gott;
Du kannst es mir wohl geben:
Daß ich nicht wieder werd‘ zu Spott!
Die Hoffnung gieb daneben,
Voraus wenn ich muß hie davon.
Daß ich dir mög‘ vertrauen,
Und nicht bauen
Auf alles mein Thun;
Sonst würd’s mich ewig reuen.

Verleih‘, daß ich aus Herzengrund
Mein’n Feinden mög‘ vergeben!
Verzeih‘ mir auch zu dieser Stund‘,
Schaff‘ mir ein neues Leben!
Dein Wort mein‘ Speis‘ laß allweg‘ seyn,
Damit mein‘ Seel zu nähren,
Mich zu wehren,
Wenn Unglück geht her,
Das mich bald mögt‘ verkehren.

Laß mich kein‘ Lust noch Furcht von dir
In dieser Welt abwenden;
Beständig seyn in’s End‘, gieb mir;
Du hast’s allein in Händen!
Und wem du’s giebst, der hat’s umsonst;
Es mag niemand erwerben
Noch ererben
Durch Werke dein‘ Gnad‘,
Die uns errett’t vom Sterben.

Ich lieg‘ im Streit und widerstreb‘;
Hilf, o Herr Christ, dem Schwachen!
An deiner Gnad‘ allein ich kleb‘;
Du kannst mich stärker machen.
Kommt nu Anfechtung her, so wehr,
Daß sie mich nicht umstoße!
Du kannst’s maßen,
Daß mir’s nicht bringt G’fahr!
Ich weiß, du wirst’s nicht lassen.

E. S. – Dies Irae

Tag des Zorns, der, zu vergelten,
Brennen wird zu Staub die Welten,
Wie Sibyll‘ und David melden.

Welches Zittern, Zagen, Weinen,
Wenn der Richter wird erscheinen,
Prüft das Mark in den Gebeinen.

Die Posaun‘ im Schreckenstone
Schallt durch Gräber jeder Zone,
Treibet Alle zu dem Throne.

Tod und Schöpfung staunend sehen
Alles aus den Gräbern gehen,
Um dem Richter Red‘ zu stehen!

Dieser wird das Buch entfalten,
Das zum Urtheil wird enthalten
Alles Thun und alles Walten.

Setzt der Richter sich zu richten,
Wird er das Verborgne lichten,
Alles, Alles strenge schlichten.

Was kann dann ich Armer sagen?
Wen um Schutz zu bitten wagen,
Wo Gerechte selbst verzagen?

König, furchtbar und erhaben!
Frei verschenkst du deine Gaben,
Lass daran auch mich Theil haben!

Güt’ger Jesus, deinen Erben,
Dem du wolltest leben, sterben,
Lass am Ende nicht verderben.

Mich zu suchen wollt’st du leben,
Dich für mich dem Tod hingeben,
Lass nicht fruchtlos sein dies Streben!

Drum so lass für meine Sünden,
Richter, deine Gnad‘ mich finden,
Eh‘ dein Zorn sich wird entzünden!

Schwer bin ich mit Schuld befangen,
Scham bedecket meine Wangen,
Gott, lass Gnade mich erlangen!

Du hast jenem Weib verziehen,
Hast dem Mörder Heil verliehen,
Lässt auch mir noch Hoffnung blühen.

Zwar auf mich darf ich nicht bauen,
Deiner Huld jedoch vertrauen,
Rett‘ mich vor der Hölle Grauen!

Fern von Böcken, fern von Schlechten,
Zu den Schafen, den Gerechten,
Stelle mich zu deiner Rechten!

Hast du, die im Fluche blieben,
Schambedeckt zur Höll‘ getrieben,
Rufe mich zu deinen Lieben!

Reuzerknirschten Herzens wende
Ich zu dir gefalt’ne Hände:
Nimm dich meiner an am Ende!

Trauertag voll Angst und Wehen,
So wir aus dem Staub erstehen,
Schuldbewusst den Richter sehen!

Jesus, lass nur Gnade gelten;
Führe Alle, Herr der Welten,
Ein zu deinen ew’gen Zelten!

Palmblätter, Würzburg, 1826

unbekannter Verfasser (1823) – Dies Irae

Der Vergeltung Tag, der schwere,
Tilgt die Welt im Flammenmeere,
Laut der heil’gen Seher Lehre.

Welch‘ Entsetzen wird da walten,
Kommt der Richter, Recht zu halten,
und ob Allem streng zu schalten!

Die Posaune hehr, mit Klängen,
So des Erdballs Grüfte sprengen,
Wird zum Thron die Menschen drängen!

Tod dann und Natur erbeben,
Wann die Leichen sich erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.

Gottes Schrift, im hellsten Lichte
Zeigend aller Zeit Geschichte,
Rollt sich auf zum Weltgerichte.

Da, vom Throne, Recht zu sprechen,
Wird der Richter die Verbrechen
All‘ enthüllen, Alle rächen.

Ach, was werd‘ ich Armer sagen?
Zum Vertreter wen erfragen,
Wo Gerechte selbst noch zagen?

Herr des Weltalls! furchtbar Hehrer!
Freien Gnadenheils Bescheerer!
Rette mich, du Huldgewährer!

Gnad‘ ist, Jesu, ja dein Wesen!
Kamst du doch, mich zu erlösen!
Lass mich jenes Tags genesen!

Mich erwarbst du, letzten Strebens,
Noch am Kreuz, am Ziel des Lebens,
Solch ein Preis sei nicht vergebens!

Rächer mit gerechter Waage,
Lass die Schuld, die schwer ich trage,
Gnädig nach vor jenem Tage!

Strafbar seufz‘ ich auf voll Bangen,
Scham durchglühet meine Wangen,
Mög‘ ich flehend Gnad‘ erlangen!

Dass der Sünd’rin du verziehen,
Und dem Schächer Heil verliehen,
Lässt auch mir noch Hoffnung blühen.

Nicht verdien‘ ich’s, doch zur Ehre
Deiner Huld, o Heiland, wehre,
Dass nicht ew’ge Glut mich zehre!

Dir zur Rechten lass mich kommen,
Fern der Frevler Rott‘ entnommen,
Gieb mir Raum bei deinen Frommen!

Sind dann Jene überwiesen,
In die Flammenpein verwiesen,
Rufe segnend mich mit Diesen!

Knieend, hochgestreckt die Hände,
Trau’rvoll bet‘ ich: Mittler, wende
Rettend dich zu meinem Ende!

unbekannter Verfasser (1821) – Dies Irae

Schreckenstag und Trauerstunde!
Da die Erd‘ im Feuerschlunde
Glühen wird nach Davids Munde.

Welches Zittern wird entstehen,
Wenn wir einst den Richter sehen,
Ungerührt von unserm Flehen!

Der Posaune Schall wird klingen,
Durch der Erde Gräber dringen,
Alle zum Gerichte zwingen.

Tod, Natur, ihr werdet beben,
Da, erweckt zum neuen Leben,
Rechenschaft der Mensch wird geben.

Gottes Buch wird aufgeschlagen,
Treu enthält es eingetragen
Jede That aus diesen Tagen.

Wenn der ernste Richter schlichtet,
Und der Herzen Dunkel lichtet,
Bleibt nichts Böses ungerichtet.

Was soll dann ich Sünder sagen,
Wenn auch die Gerechten zagen
Und den Richter kaum ertragen?

Herr, der du erhaben thronest,
Und aus Güte unser schonest,
Sieh‘ auf mich, wenn du belohnest!

Milder Jesus, denk‘ im Segen:
Ich war’s Ziel von deinen Wegen,
Viel war dir an mir gelegen.

Viel hast du für mich ertragen,
Bis man dich an’s Kreuz geschlagen,
Wirst du mir den Werth versagen?

Mit Versöhnungsblut besprenge,
Jesus, meiner Sünden Menge
Vor dem Tage deiner Strenge!

Röthe färbt des Schuld’gen Wangen,
Das Gewissen quält mich Bangen,
Lass, ach lass mich Gnad‘ erlangen!

Marien hast du entsündet,
Selbst dem Mörder Heil verkündet,
Und mein Hoffen fest begründet.

Doch was nützen meine Zähren?
Du nur kannst der Hölle wehren,
Dass mich Himmelsfreuden nähren.

Lass mich zu den Schafen gehen,
Nicht bei Böcken trostlos flehen,
Sondern dir zur Rechten stehen.

Wenn verflucht die Sünder fliehen,
Und zu ihrer Strafe ziehen,
Dann sprich: Dir ist Heil verliehen!

Meine Sünden sind mir leide,
Schmerz durchwühlt mein Eingeweide,
Schon, wenn ich von hinnen scheide!

Schreckenstag, an dem die Bangen
Aus der Gruft vor dich gelangen,
Nach Gebühre zu empfangen.

Dann verschone, Gott, verschone!
Jesus auf dem Richterthrone!
Dass im sel’gen Frieden wohne
Deine Christenschaar. Amen.