Gustav Jahn – Die Blume Saron’s.

(Hohelied 2, 1)

Einer Blume will ich mich vergleichen,
Einer Blume tief im Tal versteckt.
Unter Gras und dicken Waldgesträuchen
Hat mich suchend seine Lieb‘ entdeckt.
Und in seiner Augen Himmelsscheine
Und gepflegt von seinem treuen Sinn,
Blüht‘ ich auf; drum dank‘ ich Ihm alleine
Alles, alles, was ich hab‘ und bin.

Ohne ihn wie konnt‘ ich je erblühen!
Mich beschien kein milder Strahl des Lichts
Und ich wusste von der Sonne Glühen,
Von dem Tau des Himmels wusst‘ ich nichts.
Doch es schlummerte in mir verborgen
Ein Gefühl, dass ich in fremdem Land:
Leise ahnt‘ ich einen Frühlingsmorgen
In der Heimat, die ich nie gekannt.

Als Er nahte, da ich Ihn gesehen
Brach er an, mein Auferstehungstag;
Mich durchschauerte ein süßes Wehen,
Und ein neues Leben wurde wach.
Träumend sah ich aus den Hüllen steigen
Einen schlanken, blütenreichen Schaft.
Eigne Schwachheit wollt ihn erdwärts neigen,
Aber mächtig hob ihn fremde Kraft.

Was im Geiste damals ich erschauet,
Als sein Finger mich zuerst berührt,
Hat mein Freund nun still in mir erbauet
Und es in der Zeit hinausgeführt.
O wie pflegt‘ er mich mit Liebesblicken,
Da das neue Leben leise spross,
Und die Dornen drohten zu ersticken
Jeden Keim, der langsam sich erschloss.

Treulich wahrt‘ er mich vor rauhem Winde,
Hat zur Mittagszeit mich mild erfrischt,
Hat den Mehltau und den Schmutz der Sünde
Sorglich von den Blättern mir gewischt.
Hat mit Tau von oben mich befeuchtet,
Schirmte mich vor jeglicher Gefahr;
Hat mit Huld und Gnade mir geleuchtet,
Wenn es trüb und finster um mich war.

Eins, nur eines hab‘ ich noch zu leiden;
Denn mein Gärtner ließ im Tal mich stehn,
Ließ mich, wo des Königs Rinder weiden
Und die Füße seiner Herden gehn.
O, wie könnte mir so bange werden,
Blick‘ ich auf die dräuende Gefahr,
dass die rauhen Füße dieser Herden
Mich zerknicken und zertreten gar!

Doch auf ihn nur soll mein Auge schauen,
Nimmer um mich auf der Feinde Wut.
Meinem Freunde will ich ganz vertrauen,
Meines Gärtners ewig treuer Hut.
Einer Blume will ich mich vergleichen,
Aber alles, Glanz und Duft und Schein,
Was ich bin und hab‘ und werd‘ erreichen,
Alles, alles dank‘ ich Ihm allein!

Gustav Jahn – Schwarz aber lieblich

(Hohelied 1,5)

Aus meines Königs Kammer,
Als meines Königs Braut,
Bin ich hervorgetreten
Und habe mich beschaut.

Und habe mich befunden
Schwarz von Gesicht und Hand.
Mein König meine Sonne,
Hat also mich verbrannt.

Denn all mein eignes Leben
In dieser Sonne Licht,
Mein Wollen, mein Verlangen,
Ist schwarz von Angesicht.

Und was ich tu‘ und treibe,
Geschieht mit schwarzer Hand;
Den Wandel meiner Füße
Hab‘ ich für schwarz erkannt.

Ihr Töchter meiner Mutter,
Schwarz bin ich ganz und gar!
Und dennoch Braut des Königs,
Das ist gewisslich wahr!

Und dennoch schön und lieblich,
Zur Hochzeit reich geschmückt,
dass sich an meiner Schöne
Mein Bräutigam erquickt.

Er hat für mich bereitet
Ein wunderbares Kleid,
Mit viel Geschrei und Thränen
Im heißen blut’gen Streit.

Das ist der Rock des Heiles,
In den hüll‘ ich mich ein
Er hält mich ganz umfangen
Und macht mich hell und rein.

Dass nichts an mir zu sehen
Von meiner schwarzen Haut;
Und ich ganz lieblich scheine,
Als eines Königs Braut.

Schwarz bin ich in mir selber
Und arm und nackt und blos;
Doch lieblich in der Gnade
Und herrlich, reich und groß.

Schwarz bin ich! schwarz geboren,
Doch weiß im Gnadenstand!
Weiß bin ich erst geworden,
Als ich mich schwarz befand.

Schwarz ist vor Gott verdammet;
Denn Gottes Kleid ist Licht.
Weiß kann ich mich nicht nennen !
Schwarz lässt mein HErr mich nicht.

Schwarz macht mich alle Abend
Des Tages Sündenschuld;
Weiß wäscht mich jeden Morgen
Mein HErr mit viel Geduld.

Wenn ich mich schwarz erkenne,
Gefall‘ ich meinem Freund,
Je schwärzer ich mir scheine,
Je lieber er es meint.

Je schwärzer meine Farbe,
Je weißer glänzt sein Kleid,
Vom Haupte bis zur Sohle
Deckt mich Gerechtigkeit.

Ihr Töchter meiner Mutter,
Schwarz bin ich, das ist wahr!
Doch Braut des ew’gen Königs
Und lieblich ganz und gar.