Gerhardt, Paul – Sollt‘ ich meinem Gott nicht singen?

  1. Sollt’ ich meinem Gott nicht singen?
    Sollt’ ich ihm nicht dankbar sein?
    Denn ich seh’ in allen Dingen,
    Wie so gut er’s mit mir mein’.
    Ist doch nichts als lauter Lieben,
    Das sein treues Herze regt,
    Das ohn’ Ende hebt und trägt,
    Die in seinem Dienst sich üben.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
  2. Wie ein Adler sein Gefieder
    Über seine Jungen streckt,
    Also hat auch hin und wieder
    Mich des Höchsten Arm bedeckt.
    Alsobald im Mutterleibe,
    Da er mir mein Wesen gab
    Und das Leben, das ich hab
    Und noch diese Stunde treibe.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  3. Sein Sohn ist ihm nicht zu teuer,
    Nein, er gibt ihn für mich hin,
    Daß er mich vom ew’gen Feuer
    Durch sein teures Blut gewinn’.
    O du unergründ’ter Brunnen,
    Wie will doch mein schwacher Geist,
    Ob er sich gleich hoch befleißt,
    Deine Tief’ ergründen können?
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
  4. Seinen Geist, den edlen Führer,
    Gibt er mir in seinem Wort,
    Daß er werde mein Regierer
    Durch die Welt zur Himmelspfort,
    Daß er mir mein Herz erfülle
    Mit dem hellen Glaubenslicht,
    Das des Todes Macht zerbricht
    Und die Hölle selbst macht stille.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  5. Meiner Seele Wohlergehen
    Hat er ja recht wohl bedacht.
    Will dem Leibe Not zustehen,
    Nimmt er’s gleichfalls wohl in acht.
    Wenn mein Können, mein Vermögen
    Nichts vermag, nichts helfen kann,
    Kommt mein Gott und hebt mir an
    Sein Vermögen beizulegen.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
  6. Himmel, Erd und ihre Heere
    Hat er mir zum Dienst bestellt;
    Wo ich nur mein Aug hinkehre,
    Find ich, was mich nährt und hält:
    Tier und Kräuter und Getreide
    In den Gründen, in der Höh,
    In den Büschen, in der See,
    Überall ist meine Weide.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  7. Wenn ich schlafe, wacht sein Sorgen
    Und ermuntert mein Gemüt,
    Daß ich alle lieben Morgen
    Schaue neue Lieb’ und Güt’.
    Wäre mein Gott nicht gewesen,
    Hätte mich sein Angesicht
    Nicht geleitet, wär’ ich nicht
    Aus so mancher Angst genesen.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
  8. Wie so manche schwere Plage
    Wird vom Satan umgeführt,
    Die mich doch mein Lebetage
    Niemals noch bisher gerührt.
    Gottes Engel, den er sendet,
    Hat das Böse, was der Feind
    Anzurichten war gemeint,
    In die Ferne weggewendet.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  9. Wie ein Vater seinem Kinde
    Sein Herz niemals ganz entzeucht,
    Ob es gleich bisweilen Sünde
    Tut und aus der Bahne weicht:
    Also hält auch mein Verbrechen
    Mir mein frommer Gott zugut,
    Will mein Fehlen mit der Rut’
    Und nicht mit dem Schwerte rächen.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
  10. Seine Strafen, seine Schläge,
    Ob sie mir gleich bitter seind,
    Dennoch, wenn ichs recht erwäge,
    Sind es Zeichen, daß mein Freund,
    Der mich liebet, mein gedenke
    Und mich von der schnöden Welt,
    Die uns hart gefangen hält,
    Durch das Kreuze zu ihm lenke.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  11. Das weiß ich fürwahr und lasse
    Mirs nicht aus dem Sinne gehen:
    Christenkreuz hat seine Maße
    Und muß endlich stillen stehn;
    Wenn der Winter ausgeschneiet,
    Tritt der schöne Sommer ein:
    Also wird auch nach der Pein,
    Wers erwarten kann, erfreuet.
    Alles Ding währt seine Zeit,
    Gottes Lieb in Ewigkeit.
  12. Weil denn weder Ziel noch Ende
    Sich in Gottes Liebe find’t,
    Ei, so heb’ ich meine Hände
    Zu dir, Vater, als dein Kind,
    Bitte, woll’st mir Gnade geben,
    Dich aus aller meiner Macht
    Zu umfangen Tag und Nacht
    Hier in meinem ganzen Leben,
    Bis ich dich nach dieser Zeit
    Lob’ und lieb’ in Ewigkeit.

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