Gellert, Christian Fürchtegott – Oft klagt dein Herz, wie schwer es sei,

Oft klagt dein Herz, wie schwer es sei,
Den Weg des Herrn zu wandeln,
Und täglich seinem Worte treu,
Zu denken und zu handeln.
Wahr ist’s, die Tugend kostet Müh,
Sie ist der Sieg der Lüste;
Doch richte selbst, was wäre sie,
Wenn sie nicht kämpfen müßte?

Die, die sich ihrer Laster freun,
Trifft die kein Schmerz hienieden?
Sie sind die Sklaven eigner Pein,
Und haben keinen Frieden.
Der Fromme, der die Lüste dämpft,
Hat oft auch seine Leiden;
Allein der Schmerz, mit dem er kämpft,
Verwandelt sich in Freuden.

Des Lasters Bahn ist anfangs zwar
Ein breiter Weg durch Auen;
Allein sein Fortgang wird Gefahr,
Sein Ende Nacht und Grauen.
Der Tugend Pfad ist anfangs steil,
Läßt nichts als Mühe blicken;
Doch weiter fort führt er zum Heil,
Und endlich zum Entzücken.

Nimm an, Gott hätt es uns vergönnt,
Nach unsers Fleisches Willen,
Wenn Wollust, Neid und Zorn entbrennt,
Die Lüste frei zu stillen;
Nimm an, Gott ließ den Undank zu;
Den Frevel, dich zu kränken;
Den Menschenhaß: was würdest du
Von diesem Gotte denken?

Gott will, wir sollen glücklich sein,
Drum gab er uns Gesetze.
Sie sind es, die das Herz erfreun,
Sie sind des Lebens Schätze.
Er redt in uns durch den Verstand,
Und spricht durch das Gewissen,
Was wir, Geschöpfe seiner Hand,
Fliehn, oder wählen müssen.

Ihn fürchten, das ist Weisheit nur,
Und Freiheit ist’s, sie wählen.
Ein Tier folgt Fesseln der Natur,
Ein Mensch dem Licht der Seelen.
Was ist des Geistes Eigentum?
Was sein Beruf auf Erden?
Die Tugend! Was ihr Lohn, ihr Ruhm?
Gott ewig ähnlich werden!

Lern nur Geschmack am Wort des Herrn
Und seiner Gnade finden,
Und übe dich getreu und gern,
Dein Herz zu überwinden.
Der Kräfte hat, wird durch Gebrauch
Von Gott noch mehr bekommen;
Wer aber nicht hat, dem wird auch
Das, was er hat, genommen.

Du streitest nicht durch eigne Kraft,
Drum muß es dir gelingen.
Gott ist es, welcher beides schafft,
Das Wollen und Vollbringen.
Wenn gab ein Vater einen Stein
Dem Sohn, der Brot begehrte?
Bet oft; Gott müßte Gott nicht sein,
Wenn er dich nicht erhörte.

Dich stärket auf der Tugend Pfad
Das Beispiel selger Geister;
Ihn zeigte dir, und ihn betrat
Dein Gott und Herr und Meister.
Dich müsse nie des Frechen Spott
Auf diesem Pfade hindern;
Der wahre Ruhm ist Ruhm bei Gott,
Und nicht bei Menschenkindern.

Sei stark, sei männlich allezeit,
Tritt oft an deine Bahre;
Vergleiche mit der Ewigkeit
Den Kampf so kurzer Jahre.
Das Kleinod, das dein Glaube hält,
Wird neuen Mut dir geben;
Und Kräfte der zukünftgen Welt,
Die werden ihn beleben.

Und endlich, Christ, sei unverzagt,
Wenn dir’s nicht immer glücket;
Wenn dich, so viel dein Herz auch wagt,
Stets neue Schwachheit drücket.
Gott sieht nicht auf die Tat allein,
Er sieht auf deinen Willen.
Ein göttliches Verdienst ist dein!
Dies muß dein Herze stillen.