Gellert, Christian Fürchtegott – Erforsche mich, erfahr mein Herz,

Erforsche mich, erfahr mein Herz,
Und sieh, Herr, wie ich’s meine.
Ich denk an deines Leidens Schmerz,
An deine Lieb, und weine.
Dein Kreuz sei mir gebenedeit!
Welch Wunder der Barmherzigkeit
Hast du der Welt erwiesen!
Wenn hab ich dies genug bedacht,
Und dich aus aller meiner Macht
Genug dafür gepriesen?

Rat, Kraft und Friedefürst und Held!
In Fleisch und Blut gekleidet,
Wirst du das Opfer für die Welt,
Und deine Seele leidet.
Dein Freund, der dich verrät, ist nah.
Des Zornes Gottes Stund ist da,
Und Schrecken strömen über.
Du zagst, und fühlst der Höllen Weh:
»Ist’s möglich, Vater, o so geh
Der Kelch vor mir vorüber!«

Dein Schweiß wird Blut; du ringst und zagst,
Und fällst zur Erden nieder;
Du, Sohn des Höchsten, kämpfst, und wagst
Die erste Bitte wieder.
Du fühlst, von Gott gestärkt im Streit,
Die Schrecken einer Ewigkeit,
Und Strafen sonder Ende.
Auf dich nimmst du der Menschen Schuld,
Und gibst mit göttlicher Geduld
Dich in der Sünder Hände.

Du trägst der Missetäter Lohn,
Und hattest nie gesündigt;
Du, der Gerechte, Gottes Sohn!
So war’s vorher verkündigt.
Der Frechen Schar begehrt dein Blut,
Du duldest, göttlich groß, die Wut,
Um Seelen zu erretten.
Dein Mörder, Jesus, war auch ich;
Denn Gott warf aller Sünd auf dich,
Damit wir Friede hätten.

Erniedrigt bis zur Knechtsgestalt,
Und doch der Größt im Herzen,
Erträgst du Spott, Schmach und Gewalt,
Voll Krankheit und voll Schmerzen.
Wir sahn dich, der Verheißung Ziel;
Doch da war nichts, das uns gefiel,
Und nicht Gestalt noch Schöne.
Vor dir, Herr, unsre Zuversicht,
Verbarg man selbst das Angesicht;
Dich schmähn des Bundes Söhne.

Ein Opfer nach dem ewgen Rat,
Belegt mit unsern Plagen,
Um deines Volkes Missetat
Gemartert und zerschlagen,
Gehst du den Weg zum Kreuzesstamm,
In Unschuld stumm, gleich als ein Lamm,
Das man zur Schlachtbank führet.
Freiwillig, als der Helden Held,
Trägst du, aus Liebe für die Welt,
Den Tod, der uns gebühret.

»Sie haben meine Hände mir,
Die Füße mir durchgraben,
Und große Farren sind’s, die hier
Mich, Gott! umringet haben.
Ich heul, und meine Hülf ist fern.
Sie spotten mein: Er klagt’s dem Herrn,
Ob dieser ihn befreite!
Du legst mich in des Todes Staub.
Ich bin kein Mensch, ein Wurm; ein Raub
Der Wut, ein Spott der Leute.

Ich ruf und du antwortest nie,
Und mich verlassen alle.
In meinem Durste reichen sie
Mir Essig dar und Galle.
Wie Wachs zerschmelzt in mir mein Herz.
Sie sehn mit Freuden meinen Schmerz,
Die Arbeit meiner Seelen.
Warum verläßt du deinen Knecht?
Mein Gott! mein Gott! ich leid und möcht
All mein Gebeine zählen.«

Du neigst dein Haupt. Es ist vollbracht.
Du stirbst! die Erd erschüttert.
Die Arbeit hab ich dir gemacht,
Herr, meine Seele zittert.
Was ist der Mensch, den du befreit?
O wär ich doch ganz Dankbarkeit?
Herr, laß mich Gnade finden.
Und deine Liebe dringe mich,
Daß ich dich wieder lieb, und dich
Nie kreuzige mit Sünden!

Welch Warten einer ewgen Pein
Für die, die dich verachten;
Die, solcher Gnade wert zu sein,
Nach keinem Glauben trachten!
Für die, die dein Verdienst gestehn,
Und dich durch ihre Laster schmähn,
Als einen Sündendiener!
Wer dich nicht liebt, kömmt ins Gericht.
Wer nicht dein Wort hält, liebt dich nicht;
Ihm bist du kein Versühner.

Du hast’s gesagt. Du wirst die Kraft
Zur Heiligung mir schenken.
Dein Blut ist’s, das mir Trost verschafft,
Wenn mich die Sünden kränken.
Laß mich im Eifer des Gebets,
Laß mich in Lieb und Demut stets
Vor dir erfunden werden.
Dein Heil sei mir der Schirm in Not,
Mein Stab im Glück, mein Schild im Tod,
Mein letzter Trost auf Erden!