Kern, Georg – Von edler art

Von edler art
auch rein und zart
erquillt uns fort
das göttlich wort,
welichs gar lang
in schwerem zwang
enthalten ist
durch teufels list
und menschen tand,
die all irn bestand
auf eigene werk gebauet hand.

Wie vil ich tu,
so bleibt kein ru
der gewißen nit;
wo gnad nit mit
durch Got bereit
die werk bekleit,
ists als umbsunst;
allein aus gunst
barmherzigkeit,
die ewig freud
uns aufgeerbt ist durch Christus streit.

O herre Got,
wend solich not
von deim volk ab,
erleucht und lab
durch gütigkeit
all tunkelheit.
dein wort wirt frei
hie richter sein;
dir eigt allein
er, lob und preis von aller gemein.

Goedeke/Tittmann – Deutsche Dichter des sechszehnten Jahrhundert

Selneccer, Nikolaus – Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ

Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ,
Weil es nun Abend worden ist;
Dein göttlich Wort, das heile Licht,
Laß ja bei uns auslöschen nicht!

2. In dieser, letzt’n, betrübten Zeit
Verleih uns, Herr, Beständigkeit,
Daß wir dein Wort und Sakrament
Rein b’halten bis an unser End‘!

3. Herr Jesu, hilf, dein‘ Kirch‘ erhalt,
Wir sind gar sicher, faul und kalt!
Gib Glück und Heil zu deinem Wort,
Damit es schall‘ an allem Ort!

4. Erhalt uns nur bei deinem Wort
Und wehr des Teufels Trug und Mord!
Gib deiner Kirche Gnad‘ und Huld,
Fried‘, Einigkeit, Mut und Geduld!

5. Ach Gott, es geht gar übel zu,
Auf dieser Erd‘ ist keine Ruh‘,
Viel Sekten und viel Schwärmerei
Auf einen Haufen kommt herbei.

6. Den stolzen Geistern wehre doch,
Die sich mit G’walt erheben hoch
Und bringen stets was Neues her,
Zu fälschen deine rechte Lehr‘.

7. Die Sach‘ und Ehr‘, Herr Jesu Christ,
Nicht unser, sondern dein ja ist;
Darum so steh du denen bei,
Die sich auf dich verlaßen frei!

8. Dein Wort ist unsers Herzens Trutz
Und deiner Kirche wahrer Schutz;
Dabei erhalt uns, lieber Herr,
Daß wir nichts anders suchen mehr!

9. Gib, daß wir leb’n in deinem Wort
Und darauf ferner fahren fort
Von hinnen aus dem Jammertal
Zu dir in deinen Himmelssaal!

Selneccer, Nikolaus – Hilf treuer Gott im höchsten Thron,

Am Tage Johannis des Apostels und Evangelisten.

Mel. Vom Himmel hoch, da….

Hilf treuer Gott im höchsten Thron,
Daß wir erkennen deinen Sohn,
Der unser Bruder worden ist,
Den rechten Heiland Jesum Christ.

Johannes sein Apostel treu
Hat uns beschriebn sein Menschheit neu
Vereinigt mit der Gottheit klar,
Solchs lobt all Mensch und Engel Schaar.

Erhalt uns ja bei deinem Wort,
In unserm Amt laß uns gehn fort,
Daß wir Glaubn und Gewissen rein
Behalten durch die Gnade dein.

Auf daß wir allzeit sein bereit,
Wenn du kommst Herr mit Fried und Freud,
Wir sein gleich jung, stark oder alt,
Zu folgen deines Worts Gewalt.

Bescher uns Herr ein seligs End,
Nimm unsre Seel in deine Händ,
Besprengt mit deines Sohnes Blut,
Das ist allein das höchste Gut.

Thiel – Nicolaus Selneccers geistliche Lieder

Spitta, Carl Johann Philipp – Wort des Lebens, lautre Quelle

Wort des Lebens, lautre Quelle,
die vom Himmel sich ergießt,
Lebenskräfte gibst du jedem,
der dir Geist und Herz erschließt;
der sich wie die welke Blume,
die der Sonnenbrand gebleicht,
dürstend von dem dürren Lande
zu der Quelle niederneigt.

Ohne dich, was ist die Erde?
Ein beschränktes, finst’res Tal,
ohne dich, was ist der Himmel?
Ein verschloßner Freudensaal.
Ohne dich, was ist das Leben?
Ein erneuter finstrer Tod.
Ohne dich, was ist das Sterben?
Nachtgrau’n ohne Morgenrot.

Wort des Lebens, du erleuchtest,
doch erwärmst du auch zugleich;
eine Hölle offenbarst du,
aber auch ein Himmelreich,
furchtbar schreckest du den Sünder
aus der dumpfen, trägen Ruh’;
doch aus Liebe sprichst du wieder
dem Bußfert’gen Gnade zu.

Einen Richter lehrst du fürchten,
der mit rechter Waage wägt;
doch auch einen Vater lieben,
der mit Langmut alle trägt,
einen Gott, der den Geliebten
ew’gen Sohn zum Opfer gibt,
der an ihm die Sünde richtet,
und in ihm die Sünder liebt.

Alber, Erasmus – Ein Gebet zu dem ewigen Wort Gottes,

aus unaussprechlicher Liebe gegen die Menschen Mensch geboren, den Kindern, die Jesum lieb haben, zum neuen seligen Jahr. Erasmus Alberus 1552.

O Wort, ein wahrer Mensch gebotn,
Sonst wär ich ewiglich verlorn,
Du liebes Wort, erbarm dich mein,
Weil du mein Bruder wolltest sein.
Dein Blut macht mich von Sünden rein,
Das faßt der Glaub an Christ allein.
O Wort, für mich ein Mensch geborn,
Du hast gestillet Gottes Zorn.
Herr Jesu Christ, mein edler Hort,
Beide Gottes und Marien Sohn,
Für allen Menschen Kindern schon.
Holdselig sind die Lippen dein,
Darum kann ich nicht verzagt sein.
Ich traue dir und hoff auf dich,
Weil du Mensch bist worden für mich.
Wenn du nicht wärest Mensch geborn,
So wäre ich ewiglich verlorn.
Durch dein Gerechtigkeit bin ich
Für Gott gerecht, deß freu ich mich.
Ich bin durch dein Gerechtigkeit
Gerecht gemacht in Ewigkeit.
Dein heiliges Blut macht mich gerecht,
Dein Blut macht Alles recht und schlecht.
Durch deinen heiligen Tod leb ich,
Und werd nicht sterben ewiglich.
Denn ich von Herzen gleub an dich
Drum wirst du nicht verlassen mich.
So ist nu sterben mein Gewinn,
Dieweil ich dein eigen bin.
Ich werd nicht sterben, sonder leben;
Denn ich hab mich dir ganz ergeben.
Ich fahr dahin im Glauben schon
Mit Fried und Freud, wie Simeon.
O Wort, du bist mein einiger Trost,
Dein Tod hat mich vom Tod erlost.
O Wort, durch deine große Macht
Hat mich dein Tod zum Leben bracht.
O Christ, du theuer werthes Wort,
Der Satanas hat mich ermordt,
Durch deinen Tod vom Tod ward ich
Erlöst und leb dir ewiglich.
O Wort, du bist mein Stock und Stab,
Laß mich nicht fallen vom Glauben ab.
O Wort, nicht lasse, das bitt ich,
Kein Unrecht herrschen über mich.
Darzu gieb mir den heilign Geist,
Den du mir, liebes Wort, verheißt.
Ach Herr, gib mir ein neuen Sinn,
Dieweil ich neu geboren bin.
Herr, siehe mich an gnädiglich,
Dieweil du durch dein Blut hast mich
Von allen Sünden gereinigt.
Darum erhör doch mein Gebet
Amen, Amen, du liebes Wort,
So bin ich selig hie und dort.
Denn ob mich schon die böse Welt
Für ein Fluch unde Greuel hält,
So bin ich doch im Himmelreich
Den heilign Engeln Gottes gleich.
Ob sich die Welt wol sauer stellt,
Thu ich doch nicht, was ihr gefällt.
Hab ich schon zeitlich Güter nicht,
So ist doch Gott mein Zuversicht.
Ich hab bei mir das liebe Wort,
Dasselb Wort ist mein treuer Hort.
Ich hab bei mir den ewigen Gott,
Der ist mein Trost in aller Noth.
Der ganzen Welt entschlah ich mich,
Wenn ich nur hab, Herr Christe, dich.
Welt, wie du willt, hie steh ich frei,
Und achte nicht dein Wütherei.
Ich hab das liebe Wort bei mir,
Derhalben frag ich nicht nach dir.
Ade, Ade, du falsche Welt,
Das Wort, welchs mir allein gefällt,
Für allem UEbel mich erhält.
Das Wort hat sich zu mir gesellt,
Das Wort hab ich, da bleib ich bei,
Das Wort macht mich von Sünden frei.
Daß Wort Gotts ewig bei uns sei,
Dazu uns Christ sein Gnad verleih.

Amen.

Stromberger – Erasmus Alberus geistliche Lieder