Zeller, Albert – Lasset die Kindlein zu mir kommen

„Lasset die Kindlein zu mir kommen
Und wehret ihnen nicht!“
So sprachst du einst mit deinem frommen,
Holdselgen Angesicht,
Als deines Lieblings süßes Leben
Im Todeskampfe rang,
Und unter Zittern, unter Beben
Ein Schwert dein Herz durchdrang.

So schnell hast du den Zug verstanden,
Der ihn nach oben rief;
So frei von aller Selbstsucht Banden,
So glaubensstark und tief;
Und wie nun Gottes heilger Wille
Dich selber kommen hieß,
Wie folgtest du so mutig stille
Auf das, was er verhieß!

Schau ich in sehnsuchtsvoller Wehmut
Auf unsre Kinder hin,
Ich beuge mich in Dank und Demut
Und fleh um gleichen Sinn:
Lasse die Kindlein zu ihm kommen,
So tönt es fort und fort;
Was uns von dir auch sei genommen,
Es bleibt dein Segenswort.

O welch ein heiliges Vermächtnis
Ist ihre Unschuld mir!
O welch ein liebliches Gedächtnis
Von meines Lebens Zier!
Wie wunderbar hat Gott verschlungen
In Jedem unser Sein!
Zu lösen ist mir nie gelungen,
Was dein ist oder mein.

Und dieses Band, von Gott gewoben,
Von seiner eignen Hand,
Das wär zerrissen und zerstoben,
Weil du im heilgen Land? –
Wo kann die Mutterliebe weilen,
Als wo die Kinder sind?
Du wirst mit mir die Sorgen teilen
Um jedes teure Kind.

Dass sie des Höchsten Bildnis tragen
In irdischer Gestalt,
Die in den flüchtgen Pilgertagen
So schnell vorüber wallt;
Dass sie zu ihm, dem Vater, kommen,
Zu ihm durch seinen Sohn,
Mit seinen Jüngern, seinen frommen,
Sei unser Ziel und Lohn.

Dass, wenn zum neuen Segensbunde
Sich Erd und Himmel fand,
Und eins dem andern jauchzet Kunde,
Dass es in Gott erstand,
Wir rufen in der Vaterhalle
Nach treu getragner Last:
„Hier sind wir und die Kinder alle,
Die du verliehen hast!“