„Wer ist mein Bruder, meine Mutter, wer?“
So sprach der Herr, als sie ihn rufen wollten;
Wie fällt dies Wort auf unsre Seele schwer,
Wenn wir bedenken, wie wir lieben sollten!
Wir fragen bange, soll denn unsre Hand
Die liebsten Bande wissentlich durchschneiden,
Und, was wir als das Eigenste erkannt,
Als Aller Gut zerstreun in alle Weiten?
Ist das der Rede schmerzensreicher Sinn,
Und gilt es nur Verleugnen und Entsagen,
Und unsres Herzens süßesten Gewinn
In tausend kleine Stücke zu zerschlagen?
Sieh, was der Herr auf Erden selbst getan,
Der Alle liebte, Allen kam zu helfen,
Dem Jeder sich vertrauend durfte nahn,
Erkor er sich nicht einen Kreis von Zwölfen?
Und als er saß am letzten Abendmahl,
Und gab sein Testament der Welt zum Segen,
Da ist von seiner ganzen Jüngerzahl
Der Eine nur an seiner Brust gelegen.
Und als er hing am Kreuz zu Spott und Hohn,
Und sich begann sein blutend Haupt zu neigen,
Da gab er seiner Mutter ihn zum Sohn,
Und seiner Mutter diesen Sohn zu eigen.