Albertini, Johann Baptist von – Du musstest leiden, Gottes Sohn!

Du musstest leiden, Gottes Sohn!
die Zeit war da – es stand geschrieben
im Buch – es drängte Dich Dein Lieben:
da tauschtest Du ums Kreuz den Thron.

Du musstest leiden! konnte je nur
Ein Gesicht verloren gehen,
was heilge Seher einst gesehen?
Du musstest nach Gethsemane!

Doch, Barmherziger! Warum
stand solche Schrift in Deinem Buche?
warum ward’s Segens Quell zum Fluche,
zur tiefsten Schmach der höchste Ruhm?

Warum beim Blick in künft’ge Zeit
durchbrechen jene Freudensszene
geheimnisvolle Leidenstöne
im Buche der Gerechtigkeit?

Warum, als ihm gelang die Tat,
das Joch des Starken zu zerbrechen,
warum musst ihm die Ferse stechen
der Schlangenkopf, den Er zertrat?

In dichtem Dunkel schreitest du
einher, allwaltendes Verhängnis!
und führst die Geister im Gefängnis:
dich decken Ewigkeiten zu.

Es musste sein! O Gott, umsonst
sahst Du Dich um! Du sannst vergebens
zu schonen Deines Sohnes Lebens,
der Du die Himmel überthronst!

O heiligs Muss! – Notwendigkeit,
der sich der Allmacht Kräfte neigen!
wir beten an in sel’gem Schweigen:
denn du bist unsre Seligkeit.

O seligs Muss der Ewigkeit!
manch hart unselig Muss des Lebens
drückt uns, und spottet Widerstrebens:
doch du, du stillest all dies Leid.

Wenn uns Dein Mund, o Heiland! sagt
in’s Herz hinein, „ich musste leiden!“
so gib, dass wir das Wort nicht meiden,
dass Stolz, Scham, Furcht uns nicht verjagt!

Nein! lernen lass uns an dem Wort,
bis unser Innerstes durchschüttert
von seiner Allgewalt, erzittert
bis uns sein Schwert das Herz durchbohrt!

O heiligs Licht! o seligs Recht!
dass auf der fluchbeladnen Erde
des ew’gen Segens fähig werde
der Menschen sündiges Geschlecht.

Das musste sein! so hilf uns nun,
dass wir zu Deiner Wahl zum Segen,
du Fluch für uns! die unsre legen,
und Dir am Segensbusen ruhn!