Zinzendorf, Nikolaus von – Einzig in Jesu die Seligkeit.

In der Welt ist kein Vergnügen,
Das die Seele ruhig macht;
Der wird um sein Heil gebracht,
Der sich durch sie lässt besiegen.
Jesus ist allein die Liebe,
Jesus ist allein die Lust,
Die dem armen Geist bewusst;
Fest sind Seine Freundschaftstriebe.
Selig, selig, selig sind,
Die zu der auserwählten Gemeinschaft Jesu berufen sind!

Eine Seele geht verloren,
Wie sie auch bekleidet ist,
Wenn sie sich nicht Jesum Christ
Zur Bekleidung auserkoren,
Und ein Geist wird bloß erfunden,
Ist er noch so reich und satt,
Der nicht Christi Fülle hat;
Drum hinein in Christi Wunden!
Selig, selig, selig sind,
Die zu den blutigen Wunden des Heilands geflohen sind!

König, Fürst und Sieger heißet,
Der im Cherubinen-Chor,
Seraphim Ihm spielen vor,
Den der Dornenkranz zerreißet;
Der die ganze Erde träget,
Als das kräft’ge Gotteswort,
Das am blutigen Kreuze dort
Sünder an der Brust geheget!
Selig, selig, selig sind,
Die in den Kreuzestod des liebenden Heilands versunken sind!

Zagende Gemüter meinen,
Leiden sei ein Todesweg;
Nein, es ist der Sternensteg;
Dorten lachen, die hier weinen,
Und der Leiden Schreckgespenste
Wird verächtlich angeschaut,
Wenn man erst der Gnade traut:
Denn die tröstet uns auf’s Schönste!
Selig, selig, selig sind,
Die durch die majestätische Gnade Jesu geübet sind!

Weh‘ euch, denn ihr werdet heulen,
Die ihr hier gelachet habt!
Aber die ihr euch begrabt,
Setzt dem Lebensbau die Säulen,
Den der große Meister gründet;
Draus Er, wenn die Erde kracht,
Eine sichre Freistatt macht
Dem, der leidend überwindet.
Selig, selig, selig sind,
Die durch die Tiefe des Meeres der Tränen gegangen sind!

Überwinder aller Dinge,
Die nicht Gott und göttlich sind:
Dem’s kein Feind mehr abgewinnt,
Ob er noch so heftig dringe:
Hier ist eine See, mit Wellen
Der Versuchung aufgetürmt,
Die auf unser Schifflein stürmt;
Doch Dich kann kein Sturmwind fällen!
Selig, selig, selig sind,
Die in den Steinklüften des ewigen Felsen geborgen sind!

Tapfre Streiter Christi wissen,
Dass die Zeit von keiner Dau’r,
Dass der HErr schon manche Mau’r
Der Beklemmung eingerissen.
Ihre gottverklärten Sinnen
Blicken durch der Wetter Sturm
Nach dem Glanz auf Salems Turm,
Wo Lichtströme niederrinnen.
Selig, selig, selig sind,
Die sich vom Gedräng‘ in’s Geraume zu glauben gewohnet sind!

Glauben, und doch stecken bleiben,
Das kann nicht beisammen sein!
Hoffen führt zum Haben ein,
Jesu Liebe kann uns treiben;
Alle Feinde sind geringe,
Wenn die Hoffnung Flügel schwingt,
Und durch alle Wolken dringt
Mit dem König aller Dinge!
Selig, selig, selig sind,
Die auf den Anker der seligen Hoffnung gegründet sind!

Mächte auf dem Ball der Erde!
Eure Herrlichkeit ist Tand,
Eurer Ruhe Grund ist Sand,
Euch umlagert stets Beschwerde;
Eure Hoffnung bleibet eitel,
Weil ihr Eitelkeiten liebt,
Und euch nur vergänglich übt;
Ach, was drohet eurem Scheitel!
Selig, selig, selig sind,
Die von der irdischen Hoheit und Torheit herunter sind!

Zions Freude währet immer,
Und wer diese Bürgerschaft
Frisch im Glauben an sich rafft,
Des Gerechtigkeit fällt nimmer!
Wenn das Meer sich türmt zu Mauern,
Wenn des Sturmes Wasserbach
Stürzet über Fels und Dach,
Wird des Christen Frieden dauern.
Selig, selig, selig sind,
Die zu der Bürgerschaft Zions bei Jesu versammelt sind!

Du, o Freund der Menschenseele,
Ewig sei Dir Dank gebracht,
Dass Du mich aus Staub gemacht!
Dir steht mein Leib zu Befehle,
Dein ist mein natürlich Leben,
Dein ist auch mein Gnadenpfand;
Dein, o Jesu, sei mein Stand,
Zu Dir will ich sterbend schweben!
Selig, selig in der Tat,
Wer durch Jesu Gnade gelebet, gelitten, gesieget hat!

(3. Dezbr. 1728.)