Martin Rinkart – Himmel-steigendes Angst-Gebet. Die Meißnische Tränen-Saat.

Im Ton der Wasser-Quelle.

1. Lasset euch, ihr edlen Seelen,
Die betrübte Tränen-Saat
Nicht so übermäßig quälen,
Streuet! streuet früh und spat
Eure Samenkörnlein aus,
Wohl bestellet Feld und Haus,
Die jetzt Tränen-Samen streuen
Werden bald mit Freuden meyen1mähen.

2. Welcher Acker hat getragen
Ungebauet in der Welt?
Sünden- Dornen- Wollust-Haagen2Haag – von einer Hecke umgebenes, umgrenztes Gebiet
Bringet unser Kirchen-Feld,
Wenn es nicht mit Macht und Müh
Wird durchtrieben spat und früh:
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

3. Welcher Ackermann im Felde
Lässet sinken Hand und Mut,
Wenn der Wind geht durch die Wälde,
Und ihm schneiet auf den Hut!
Lenzen-Wetter steht nicht lang,
Ist ein bloßer Übergang:
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

4. Welches Garten- Feld bekleibet3Wurzel schlagen, keimen, zu wachsen, gedeihen beginnen, anwachsen‹ (von Pflanzen o.ä., ütr. z.B. von liebe gesagt),
Wenn man es nicht gräbt zuvor,
Wenn man Würz und Blumen reibet,
Steiget ihr Geruch empor.
Wind und Regen müssen sein,
Will man reichlich ernten ein:
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

5. Welche Ros‘ ist ohne Dörner?
Welche Salb ist ungemischt?
Welche Garben schütten Körner,
Wenn man sie nicht weidlich drischt?
Und wir wollen gar allein
Ohne Kreuz und Leiden sein:
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

6. Stöcke muss man wohl beschneiden,
Wenn die Traube wachsen soll,
Trauben müssen Pressen leiden,
Will man Fässer legen voll.
Durch viel Kreuz und Herzeleid,
Kommen wir zur Himmels-Freud.
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

7. Darum, o ihr edlen Seelen,
Lasset euch die Tränensaat
Nicht so übermäßig quälen,
Streuet, streuet früh und spat
Eure Samenkörnlein aus,
Wohl bestellet Feld und Haus.
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

8. Wenn der Herr uns wird erlösen,
Die gefangne Toten-Schar,
Und uns, frei von allem Bösen,
Lebendig wird stellen dar,
Dann wird’s kommen auf das Wort,
Das wir hier so oft gehort:
Die mit Tränen Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

9. Dann wird unser Mund voll Lachen,
Unser Herz voll Freude sein,
Dann wird unsre Zung erwachen,
Und halb krümmend stimmen ein,
Dann wird rühmen Jedermann,
Was der Herr an ihm getan.
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

10. Komm, o Jesu, komm und wende
Unsre Sünden-Dienstbarkeit,
Mach es mit der Welt ein Ende,
Und mit allem Leid und Streit,
Hol uns heim und nimm uns an
Ins gelobte Canaan.
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.

11. Dass wir so viel Garben bringen,
Als wir Tränen hier gebracht,
Mit so großen Freuden springen,
Als betrübt sie uns gemacht.
Handvoll streuen wir sie aus,
Armvoll bringen wir zu Haus.
Die jetzt Tränen-Samen streuen,
Werden bald mit Freuden meyen.