Herman, Nikolaus – An das Bild des Todes.

Das Totenbild spricht:

O Mensch, mit Fleiß anschaue mich,
Wie du jetzt bist, gleich so war ich,
Jung, schön und stark, aufs hübschst geziert,
Gleich wie ein Bild artig formiert.

2. Jetzund bin ich nur Asch und Staub,
Mein Fleisch die Würm han zu eim Raub;
Adel, Kunst, Ehr, Geld, Gut und Pracht,
Der Tod hat uns zu nicht gemacht.

3. Wer ist, der mich jetzt kennen kann,
Ob ich sei gwest ein Edelmann,
Ein Fürst, ein Graf, Herr oder Knecht,
Ein Bürger oder Bauer schlecht.

4. Nach dem Tod werden arm und reich,
Fürsten und Bauern alle gleich.
Man kennt ein für dem andern nicht;
Denn da ist gar kein Unterscheid.

5. Drum lass sich Niemand auf sein Gwalt,
Ehr, Jugend, Stärk und schöne Gstalt;
Solche All‘ ist gleich, wies grüne Gras,
Heut grünts, morgen verwelket das.

6. Bist du heut frisch, gsund, stolz und reich,
Morgen bist du ein arme Leich.
Hält man dich heut schön, lieb und wert,
Morgen legt man dich in die Erd.

7. So ist dein Pracht und Zier denn hin,
Und wirst gestalt, wie ich jetzt bin.
Drum weil du noch jung und stark bist,
Bedenk das End und trau auf Christ.

8. Der wird dich durch den zeitlich Tod
Retten von der Angst und Not,
Und dir ein neuen Körper geben,
Der ewig wird mit ihm leben.

9. Des tröst dich, wenn du anschaust mich,
Und jetzt der Tod will holen dich,
So kannst du fröhlich fahren hin,
Und ist der Tod nur dein Gewinn.