Hermann, Nikolaus – Am ersten Sonntag nach Trinitatis. Evangelium vom reichen Mann.

(Luc. 16.)

Es war einmal ein reicher Mann,
Der trug stets Sammet und Seiden an,
Er hätt alls gnug in seinem Haus,
Er banketirt und lebt im Saus.

2. Dagegen war ein armer Mann,
Derselb hat weder um noch an,
Sein ganzer Leib war woller Gschwür,
Er lag fürs reichen Mannes Thür.

3. Er bat nur um die Bißlein Brot,
Daß er nicht stürb für Hungersnoth,
Die sonst fallen vom Tisch herab,
Aber Niemand ihm etwas gab.

4. Sein Schwären ihm die Hündelein
Leckten mit ihren Zungen rein,
Viel größer war ihr Gütigkeit,
Denns reichen Manns Barmherzigkeit.

5. Sein Armuth leidt er mit Geduld,
Gott hat ihn lieb und war ihm hold,
Drum half er ihm von seim Elend,
Und bescheert ihm ein seligs End.

6. Sein Seel die lieben Engelein,
Da er verschied, beleiten (begleiten) sein,
Und brachten sie mit Freuden groß
Dem Abraham in seinen Schoß.

7. Darnach starb auch der reiche Mann,
Sein Gut und Pracht mußt er verlan,
Herrlich war das Begräbniß sein,
Die Seel fuhr in der Höllen Pein.

8. Da er saß in der Höllen Flamm,
Sahe er von ferne Abraham,
Und Lazarum in seinem Schoß
Sitzen, in Wonn und Freuden groß.

9. Da hub er auf die Stimme sein,
Schrie: Abraham, o Vater mein,
Erbarm dich mein, send Lazarum,
Auf daß er mir zu Hülfe komm.

10. Denn ich leid große Qual und Pein,
Laß ihn tunken sein Finger ein,
Daß er erfrisch die Zunge mein,
Mit einem Wassertröpfelein.

11. Darauf Abraham zu ihm sprach:
Gedenk, mein Sohn, der guten Tag,
Die du bei deinem Leben hast,
Da du allzeit nur schlemmst und praßst.

12. Dargegen Lazarus litt Noth,
Du versagst ihm ein Bißlein Brot,
Jetzt hat sichs Blättlein umgekehrt,
Du wirst geplagt, er wird geehrt.

13. Und ob ich ihn gleich senden wollt
Herab, daß er dich trösten sollt,
Ein große Kluft uns hindert dran,
Keiner zum Andern kommen kann.

14. Ach, so nichts werden mag daraus,
So send doch in mein Vaters Haus
Den Lazarum zun Brüdern mein,
Daß er ihn sag mein Noth und Pein.

15. Abraham sprach: Sie han Gotts Wort,
Mosen und die Propheten dort,
Laß sie die hörn mit allem Fleiß,
Das ist die allerbeste Weis.

16. Ah nein, sprach der elende Mann,
So Jemand würd vom Tod aufstahn,
Und ihn solchs alles zeigen an,
So würden sie sich kehren dran.

17. Nein, sprach Abraham, wer veracht
Gotts Wort, und der Propheten lacht,
Der glaubt auch keinen Todten nicht,
So er aufstünd und ihn bericht.

18. Das Exempel hat fürgestellt
Uns Christ, der Herr, dem sehr mißfällt,
Wenn man zuschleußt die milde Hand
Dem Dürftigen in unserm land.

19. Ah, was hilft nun dem reichen Mann
Sein Gut und Geld, drum kehrt euch dran,
Die ihr so geitzt, wuchert und scharrt,
Thut Buß, und nicht darin verharrt.

20. Ihr Reichen, nehmt euch an der Noth
Der Armen, denn drum giebts euch Gott;
Was ihr den Armen Guts werdt thun,
Das will euch zahlen Gottes Sohn.

Gebet.

Herr Christ, verleih uns in Armuth
Und Kreuz, Geduld und sanften Muth,
Und tröst all arme Lazaros,
Und hilf ihn bald in Abrahams Schoos.

Amen.