Gerhardt, Paul – Der Tag mit seinem Lichte

1. Der Tag mit seinem Lichte
fleucht hin und wird zunichte;
die Nacht kommt angegangen
mit Ruhe zu umfangen
den matten Erdenkreis.
Der Tag, der ist geendet,
mein Herz zu dir sich wendet,
der Tag und Nacht geschaffen
zum Wachen und zum Schlafen,
will singen seinen Preis.

2. Wohl auf, wohl auf, mein Psalter,
erhebe den Erhalter,
der mir an Leib und Seelen
vielmehr, als ich kann zählen,
hat heute Guts getan.
All Augenblick und Stunden
hat sich gar viel gefunden,
womit er sein Gemüte
und unerschöpfte Güte
mir klar gezeiget an.

3. Gleichwie des Hirtens Freude
ein Schäflein auf der Weide
sich unter seiner Treue,
ohn alle Furcht und Scheue
ergötzet in dem Feld
und sich mit Blumen füllet,
den Durst mit Quellen stillet,
so hat mich heut geführet,
mit manchem Gut gezieret
der Hirt in aller Welt.

4. Gott hat mich nicht verlassen;
ich aber hab ohn Maßen
mich nicht gescheut, mit Sünden
und Unrecht zu entzünden
das treue Vaterherz.
Ach Vater, laß nicht brennen
den Eifer, noch mich trennen
von deiner Hand und Seiten.
Mein Tun und Überschreiten
erweckt mir Reu und Schmerz.

5. Erhöre, Herr, mein Beten,
und laß mein Übertreten
zur Rechten und zur Linken
ins Meeres Tiefe sinken
und ewig untergehn.
Laß aber, laß hergegen
sich deine Engel legen
um mich mit ihren Waffen;
mit dir will ich einschlafen,
mit dir auch auferstehn.

6. Darauf so laß ich nieder
mein Haupt und Augenlider;
will ruhen ohne Sorgen,
bis daß der güldne Morgen
mich wieder munter macht.
Dein Flügel wird mich decken,
so wird mich nicht erschrecken
der Feind mit tausend Listen,
der mich und alle Christen
verfolget Tag und Nacht.

7. Ich lieg hie oder stehe,
ich sitz auch oder gehe,
so bleib ich dir ergeben,
und du bist auch mein Leben;
das ist ein wahres Wort.
Was ich beginn und mache,
ich schlaf ein oder wache,
wohn ich allzeit im Schlosse
in deinem Arm und Schoße,
bin selig hier und dort.

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