Zinzendorf, Nikolaus von – Ermunterung zur Treue.

Wand’rer auf dem Pfade
Der getreuen Gnade!
Ein gebeugtes Herz
Trägt des Lammes Retten,
Lässet sich erretten,
Ziehet himmelwärts.
Weil uns Licht
Und Kraft gebricht,
So ersetzt des Freundes Lenken,
Was wir nicht bedenken.

Wir sind gleich wie Kinder,
Ja, wir sind noch blinder,
Als ein Säugling ist;
Wenn wir durch die Zeiten
Uns selbst wollen leiten
Ohne Jesum Christ;
Wenn nicht er
Von obenher
Unsre Seelen lenkt und führet,
Unsern Gang regieret.

Bleibt dem HErrn gefangen,
Dringet mit Verlangen
In die Gnade ein;
Lasst nicht ab zu beten
Und zum HErrn zu treten;
Lernet stille sein;
Aber seid
Auch treue Leut,
Und bewahret euch vor Dingen,
Die nur Schwermut bringen!

Helfet Salem bauen,
Lasset an euch schauen,
Was der Heiland kann!
Ihm, des Blut euch lös’te,
Leben auch einflößte,
Ihm gehört ihr an.
Folgt dem HErrn,
Dem Morgenstern,
Und Jerusalem, die Freie,
Sei das Ziel auf’s Neue!

(6. Juni 1732.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Von der göttlichen Weisheit.

Welch ein eitles Tun
Ist’s um’s Lernen nun!
Jesus wird dereinst nicht fragen,
Was hier die Gelehrten sagen;
Seine Frag‘ ist mehr:
„Gabst du Mir Gehör?“

Jesus spricht mit dir,
Seele, für und für;
Jesus predigt dir im Worte
Immerdar, an jedem Orte,
Und wie Mancherlei
Bringt Sein Geist dir bei!

Geist von Gott herab,
Schenk‘ mir Deine Gab‘,
Ohne Dich liegt alles Wissen
In den dicksten Finsternissen;
Wirkst hingegen Du,
Hab‘ ich Licht und Ruh‘.

Der ist hochgelehrt,
Der sich selbst nicht hört;
Denn die Weisheit dieser Erden
Soll in Staub getreten werden,
Und wir mit hinein:
Gott will Alles sein!

Diese Wissenschaft
Bringt alleine Kraft,
Unsre Seele zu verlieren
Und in Jesum einzuführen.
Jesu, lass mich ein,
Gib mir Sonnenschein!

(1727.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Kindliche Anerbietung.

Heiland! willst Du mit mir gehen?
Sonsten geh‘ ich keinen Schritt!
Willst Du treulich bei mir stehen:
O so geh‘ ich kindlich mit!
Willst Du mich zum Diener haben?
So gib mir auch Zeugenart,
Und die andern selgen Gaben,
Die in Dir sich offenbart!

Willst Du mich? so will ich schaffen,
Weil ich mich noch rühren kann,
Mich mit Freuden täglich raffen,
Friedsam stets bei Deinem Plan,
Kindlich bei den Lasten bleiben,
Blöde, geht mir’s noch so schön.
Und will Deine Sache treiben,
Dass Du Deine Lust sollst seh’n.

(1735.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Heiligung Leibes und der Seele.

König, dem wir Alle dienen,
(Ob im Geist? das weißest Du)
Rette uns durch Dein Versühnen
Aus der ungewissen Ruh!

Mache den Gedanken bange,
Ob das Herz es redlich mein‘,
Ob die Seele an Dir hange,
Ob wir scheinen oder sein.

Mehrere verborgne Tiefen
Hat die zarte Eigenheit,
Als da wir noch ruhig schliefen
In der groben Weltlichkeit.

Schöpfer himmlischer Naturen,
Bürge unsrer Heiligkeit,
Hüter neuer Kreaturen,
Der sie im Verborgnen weiht;

Vater, Deine rege Gnade
Mach‘ uns Allen, die wir Dein,
Auf des Glaubens Streiterpfade
Manche segensvolle Pein!

Bräutigam, das Werk ist Deine;
Herzen sind Dein Eigentum,
Ihr Beflecktsein, oder reine,
Bringt Dir Schande oder Ruhm.

Hirte! brauche Deine Stäbe,
Deine Stäbe „Sanft“ und „Weh“, 1Zach.11, 7.
Dass sich unser Geist erhebe
Aus der Trägheit in die Höh‘!

Leit‘ uns Alle, die wir lieben,
In den Pfad der Wahrheit ein:
Uns um Dich nur zu betrüben,
Uns in Dir nur zu erfreu’n!

Herzenskündiger! Dein Auge
Siehet unsre Pilgerzeit,
Dass dabei Nichts gelt und tauge,
Als die Blutgerechtigkeit.

Einfalt ist ein Kind der Gnade,
Eine kluge Ritterschaft,
Die auf ihrem schmalen Pfade
Nicht nach Dem und Jenem gafft.

Leib und Kraft will man bewahren,
Wenn’s nur Christo dienen kann;
Leib und Kräfte lässt man fahren
Für den treuen Seelenmann.

Heil’ge Brüder, Gottes Knechte,
Und der Freundschaft Israels2Rechte Israeliter, in denen kein Falsch ist; Joh. 1,47.,
Reine Geister, singt vom Rechte,
Von dem Recht Immanuels!

Und ihr, teure Mitgenossen,
Betet an das Heil der Welt!
Und Sein Blut, am Holz geflossen,
Segne unser Herzensfeld!

HErr, im schönen Kampf der Leiden
Mach‘ uns zum Triumph des Lamms,
Und zur Ursach‘ Seiner Freuden.
Und zum Lohn des Kreuzesstamms!

Jesu Christe, unser Leben!
Mach‘ uns selbst Dir angenehm,
Deinem Herzen ganz ergeben,
Und zu Deinem Dienst bequem.

Leit‘ uns würdiglich der Gnade
Und dem Evangelio;
Mach‘ uns treu von Grad‘ zu Grade,
Und zur letzten Stunde froh!

(26. Febr. 1732.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Armut und Niedrigkeit des Herzens.

Solche Leute will der König küssen,
Die, wenn sie sich keinen Rat mehr wissen,
Still hingesunken,
Sich erbitten neue Gnadenfunken.

Solche Leute will der König haben,
Die, wenn sie Ihm bringen ihre Gaben,
Mit Elend prangen,
Und nur bloß an Seiner Gnade hangen.

Solche Leute will der König regnen,
Die, so oft sie einem Knecht begegnen
Von Christi Chören,
Ihn als einen Gottesfürsten ehren.

Solche Leute will der König schützen,
Die Ihm ruhevoll zu Füßen sitzen,
Die Ihm vertrauen,
Bis sie ihre Last gehoben schauen.

Solche Leute will der König lehren,
Die ein jedes Kind mit Nutzen hören,
Und fröhlich wissen,
Dass sie Schüler sind, und lernen müssen.

(1728.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Glaubensgehorsam und Zuversicht.

Heil’ger König, durch Dein Blut
Herr der Herzen!
Der Du littest uns zu gut
So viel Schmerzen:
Dank sei Dir in Ewigkeit
Für die Liebe,
Die Dich dazu triebe!

O was für ein großes Glück
Ist uns worden,
Seit des Vaters Gnadenblick
Uns im Orden
Der erlösten Sünderschaft
Ist erschienen
Durch des Sohns Versühnen!

Das vermag kein Menschenmund
Auszusprechen:
Denn wir seh’n zu jeder Stund‘
Unsre Schwächen;
Aber doch seh’n wir uns auch
In dem Bunde:
Gnade liegt zum Grunde.

Das erfreut uns überaus,
Dass wir wissen,
Unser Heiland hilft hinaus
Bis zum Schließen,
Wenn man seine Lektion
Lernt aufsagen,
Und auf Ihn was wagen.

Seine Führung lind und scharf
Kann man fühlen,
Bis man nicht mehr mag und darf
Auf was zielen,
Was uns außer Seinem Heil
Kann vergnügen,
Oder sonst genügen.

Unser Meister ist ein Mann,
Der verstehet,
Wie Er’s ausführt mit dem Plan,
Drauf Er gebet;
Er weiß sich ein Gnadenvolk
Zu bereiten
In den letzten Zeiten.

Darauf wagt man’s freudenvoll,
Ohne Zagen,
Bis die Frucht, die wachsen soll,
Ist getragen.
Unser Fleisch muss in den Tod;
Sein Verwesen
Macht den Geist genesen.

(Um 1737.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Menschliche Gesellschaft.

Warum gehet ihr so gerne,
Menschen, in Gesellschaft ein?
Warum tretet ihr so ferne,
Wenn ihr solltet einsam sein?

Weil ihr, ferne von den Andern,
Schmalen Pfad betreten müsst,
Und ihr möchtet lieber wandern,
Wo der Weg am breitsten ist.

Darum wird ein Kind des Höchsten
Bei der Welt nicht auserwählt,
Und man stehet Gott am nächsten,
Wenn man wenig Freunde zählt.

Wenn sich Herzen innig lieben,
Ist oft Er der dritte Mann;
Aber Er wird bald vertrieben,
Wo man nicht recht lieben kann.

Heißet das schon Lieb‘ und Treue,
Wenn ich mich mit einem Freund
Über seine Freud‘ erfreue,
und mitweine, wenn er weint?

Tut das Herz mir gleich zerbrechen,
Wenn man ihm wo widerspricht?
Muss ich Ja zu Allem sprechen?
Nein, so liebt der Höchste nicht!

Lasset uns von Christo lernen,
Dass wir uns von jedem Geist
Weiter, als vom Feu’r, entfernen,
Der nur fromm mit Worten gleißt!

Unser allererstes Fragen
Muss an unsre Freunde sein:
Könnt ihr Leib und Seele wagen?
Sagt ihr redlich Ja und Nein?

Petrus wärmte seine Glieder,
Wo der Weltknecht Feuer schürt‘.
Wer erwärmt die Seele wieder,
Die vielleicht indes erfriert?

Ach, wir Armen! – seht, wir wärmen
Fleißig bei der Welt uns auch,
Doch sich um die Seele härmen
Ist ein seltner Christenbrauch.

O du armer Staub der Erden,
Warum sorgst du so für dich?
Einer muss verleugnet werden,
Es sei Jesus oder ich!

Wer sich zu erhalten meinet,
Der verlässt die Lebensbahn;
Wer als Christ ein Heide scheinet,
Ist ein halbbegrabner Mann.

Trifft die Heuchler in der Höllen
Pein und Qual vom andern Tod,
Die zu Satan sich gesellen,
Und bekennen unsern Gott:
Was wird die für Jammer schrecken,
Die das wahre Christentum
Unter einen Scheffel stecken,
Suchen in der Sünde Ruhm!

(1722.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Neuer Aufschwung zur Treue.

König, gib uns Mut und Klarheit,
Einen will’gen, einen muntern Jüngersinn,
Helle Augen in die Wahrheit,
Und ein leichtes, lichtes Herze zum Gewinn,
Das einmütig,
Ehrerbietig,
Vor dem Gnadenthrone stehe,
Bis Dein Leben unsern Geist mit Kraft durchgehe!

Gib uns Deines Geistes Regung
Alle Tage, alle Tag‘ empfindlicher,
Deiner Gnade Liebsbewegung
Immer näher, immer herzverbindlicher:
Dass wir stündlich
Treu und kindlich,
Und mit unverwandtem Triebe
Dringen mögen in Dein Herz voll Gnad‘ und Liebe!

Möchten uns die Sonnenaugen,
Die wie Feuerstrahlen zünden, ganz durchseh’n!
Dann würd‘ unser Wandel taugen,
Wir erwärmt und neubelebet vor Dir steh’n,
Voller Liebe,
Voller Triebe
Eines fürstlichen Geblütes,
Eines göttlich unerschrockenen Gemütes.

O wie sind die Seelen glücklich,
Die sich Jesu ohne Ausnahm‘ zugewandt!
Wären wir nur ein geschicklich
Und dem Meister ganz bequemes Gartenland!
O, der Treue
Komm‘, aufs Neue
In dem Innersten zu wohnen:
Es gilt Treue, wenn der Fürst den Kampf soll lohnen.

Höre, Jesu! unser Flehen,
Du zum Segnen aufgelegter Seelenfreund!
Lass die Segen stärker gehen,
Als der Unglaub‘ und die Sorge nimmer meint:
Hilf uns, Deinen Armen Kleinen,
Um auf Deinem Gnadenpfade
Durchzuwandern viele, viele Glaubensgrade!

(1735.)

Zinzendorf, Nikolaus von – Rechtschaffener Wandel in Jesu Nachfolge.

O Sonne! die aufs Nied’re sieht:
Da singt ein armer Staub,
Den Deine Kraft allmächtig zieht: (Luk. 19, 40.)
„Ich rede, denn ich glaub‘!“

Zuerst gesteh‘ ich ohne Scheu,
Jedoch nicht ohne Scham,
Dass ich vom Licht ergriffen sei,
Das auf die Erde kam.

Ich weiß die angenehme Zeit,
Da mir die Gnad‘ erschien;
Da Jesus rief, war ich bereit,
Mit diesem Mann zu zieh’n.

Doch, wie es zu geschehen pflegt,
Die Seele macht sich schwer,
Wenn Er sie auf die Achseln legt:
So ging’s hier eben her.

Der Heiland nahm mich, wie ich war,
Als einen toten Mann,
Bei meiner Seele Tod’sgefahr
Zu Seiner Pflegung an.

Ich bat um Hilfe; da Er nun
Mit Seiner Hilfe kam:
So scheute ich das Wehetun,
Und war den Mitteln gram.

So müht sich unser HErr mit mir
Nun schon gar lange Zeit:
Und hat noch wenig Ehr‘ und Zier
Für Seine Emsigkeit.

Ihr Töchter Salems! seht mich an,
Ob ich Gespielin sei?
Nun ist mein Schleier weggetan,
Nun ist das Herze frei!

Ach, helft mir bitten, was ihr könnt,
Ihr Freunde, helfet mir!
Dass, da mein Herz von Jesu brennt,
Mein Tun die Lehre zier‘.

Was hör‘ ich? Stimmen aus dem Chor,
Da Christus herrscht und ruht:
Sie singen mir gar lieblich vor:
„Auf, Seele, wohlgemut!

Der König, unser Seelenfreund,
Hat einen solchen Trieb,
Der’s redlich mit uns Allen meint,
Und hat dich herzlich lieb!

So lange man auf Erden ist,
So lange wird gebaut:
Zuletzt kriegt dennoch Jesus Christ
Ein reines Herz zur Braut!

Nur merke dir, mein Herz, dies Wort:
Wenn Jesus winkt, so geh‘;
Wenn Jesus zieht, so eile fort;
Wenn Jesus hält, so steh‘!

Wenn Er dich lobet, beuge dich;
Wenn Er dich liebt, so ruh‘:
Wenn Er dich aber schilt, so sprich:
Ich brauch’s, HErr, schlage zu!

Wenn Jesus Seine Gnadenzeit
Bald hie, bald da verklärt:
So freu‘ dich der Barmherzigkeit,
Die Andern widerfährt!

Wenn er dich aber brauchen will,
So steig‘ in Kraft empor!
Wird dein getreuer Führer still,
So nimm du auch Nichts vor.

Kurz: dein und unser Aller Herz
Sei von dem Tage an
Bei Schmach, bei Mangel und bei Schmerz
Dem Lamme zugetan!“

Gelobet sei der Liebesbund!
Der stürze Babel hin,
Und brauche unsern Geist und Mund
Der Einfalt zum Gewinn.

(1727.)

Nikolaus von Zinzendorf – Kindliche Treue der Pilger

Wenn wir in der künft’gen Zeit
Was verrichten wollen,
Das wir, Ihm zur Herzensfreud‘,
Unternehmen sollen:

Dann erreg‘, o Geist des HErrn,
Uns um Jesu willen,
Denn nur Du kannst nah und fern
Uns die Hände füllen!

Mache uns so klein gesinnt
Bei den größten Sachen,
Wie der Mutter wohl ein Kind
Gern will Freude machen!

Führ‘ durch manche Kleinigkeit
(Denn wir sind auch kleine)
Alles aus zu Seiner Freud‘,
Hüter der Gemeine!

(um 1750.)