Tersteegen, Gerhard – Verborgne Gottesliebe du

1.) Verborgne Gottesliebe du,
O Friedensreich, so schöne.
Ich seh von ferne deine Ruh‘
Und innig dahin sehne.
Ich bin nicht stille, wie ich soll,
Ich fühl, es ist dem Geist nicht wohl,
Weil er in dir nicht stehet.

2.) Es lockt mich zwar dein sanfter Zug
Verborgentlich zur Stille,
Doch kann ich ihm noch nicht genug
Mich lassen, wie mein Wille.
Ich werd durch mancherlei gestört
Und unvermerkt davon gekehrt.
So bleibet meine Plage.

3.) Dass du in mir dich meldest an,
Ich zwar als Gnad‘ bekenne,
Doch weil ich dir nicht folgen kann,
Ich’s billig Plage nenne.
Ich hab von ferne was erblickt.
O Liebe, könnt ich unverrückt
Nur deiner Spur nachgehen!

4.) Mein eignes Wirken nutzet nicht,
Die Liebe davor fliehet.
Ein allzu frei und stark Gesicht
Macht, dass sie sich entziehet.
O Liebe, setze mich in Ruh,
Schließ selber meine Augen zu,
Dass ich dich in mir sehe!

5.) Was ist es mehr, was hindert mich,
Dass ich nicht ein kann gehen
In deine Ruhe wesentlich
Und darin feste stehen?
Es ist dir ja, o Liebe, kund,
Ergründe du den tiefsten Grund
Und zeig die Hindernisse!

6.) Ist etwas, das ich neben dir
In aller Welt sollt lieben,
Ach, nimm es hin, bis nichts in mir
Als du seist überblieben!
Ich weiß, ich muss von allem los,
Eh‘ ich in deinem Friedensschoß
Kann bleiben ohne Wanken.

7.) Entdeck, mein Gott, die Eigenheit,
Die dir stets widerstrebet,
Und was noch von Unlauterkeit
In meiner Seele lebet!
Soll ich erreichen deine Ruh,
So muss mein Aug‘ gerade zu
Dich meinen und ansehen.

8.) O Liebe, mach mein Herze frei
Von Überlegen, Sorgen,
Den eignen Willen brich entzwei
Wie sehr er steckt verborgen!
Ein recht gebeugt, einfältig Kind
Am ersten dich, o Liebe, find’t.
Da ist mein Herz und Wille.

9.) Ach nein, ich halte nichts zurück,
Dir bin ich ganz verschrieben,
Ich weiß, es ist das höchste Glück,
Dich lauterlich zu lieben.
Hilf, dass ich nimmer weiche nur
Von deiner reinen Liebesspur,
Bis ich den Schatz erreiche!

10.) Indessen zieh zu aller Stund,
Lass mich zu dir mich kehren,
Herr, rede du im Seelengrund,
Da lass mich stets dich hören.
Ach, setze mit Maria mich
Zu deinen Füßen inniglich!
Dies Eins will ich erwählen.

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