Pfeil, Christian Karl Ludwig von – Der Vater zürnt von Herzen nicht

1.) Der Vater zürnt von Herzen nicht,
Er liebet, wen er stäupet.
Gedanke, voller Trost und Licht
Er war und ist und bleibet
Doch Vater, ob er zornig scheint,
Ist alles mir zu gut gemeint,
Ist alles lauter Güte.

2.) Auch unempfunden ist er Gott,
Scheint auch sein Angesichte
Verhüllt, als wenn er in der Not
Es nimmer auf mich richte,
Sieht er auf mich doch väterlich.
Seh ich ihn nicht, so sieht er mich
Und denkt schon meine Hilfe.

3.) Fühl ich ihn nicht, so fühlt sein Herz
Doch was mich kränkt und drücket.
Er fühlet allen meinen Schmerz,
Er lindert und erquicket
Mit seinem Troste mein Gemüt,
Wenn er mich lechzen, schmachten sieht
Nach ihm und seiner Gnade.

4.) Wenn einer aller Väter Herz
In eines schmelzen könnte
Und hielt dagegen Gottes Herz,
Wie es in Liebe brennte,
Wie es so zart ist und so weich,
Sie wären toten Kohlen gleich,
Dagegen Stahl und Eisen.

5.) Gott ist die Liebe und wo nur
Ein Fünklein im Gemüte
Und Herzen einer Kreatur
Von Liebesfeuer glühte:
Das kommt von ihm, das facht er an.
Der allertreuste Vater kann
So treu und zart nicht lieben.

6.) Darum, o Vater, werf ich mich
In deine Gnadenarme,
Weiß, dass sich mehr als väterlich
Dein Vaterherz erbarme.
Ob du mich herzest oder stäupst,
So weiß ich, dass du Vater bleibst,
Der seine Kinder liebet.