Johannes Heermann – Wie ein jeder Mensch seiner Seelen treulich warnehmen soll.

Aus D. Bernhardo.

Im Ton: Ach Gott vom Himmel sieh darein.

WAs willst du armer Erden-Kloß
so sehr mit Hoffart prangen?
Dein Elend ist zu viel und groß:
du bist in Sünd empfangen,
Mit Schmerz geboren auf die Welt,
Schmerz dein ganz Leben überfällt,
mit Schmerz mußt du von dannen.

Was zierest du den Leib, das Haus,
drin alles Siechtum stecket?
Und queichelst ihn so zärtlich aus
mit dem, was ihm wol schmecket?
Weißt du denn nicht, nach wenig Tag
daß er muß sterben mit Wehklag
und ihn die Würmer freßen?

Vielmehr die edle Seele zier
mit Buß und guten Werken,
Das Himmelbrot ihr setze für,
dadurch sie sich kann stärken.
Denn sie ists, die da frei vom Tod
im Himmel schweben soll vor Gott
und allen heilgen Engeln.

Warum pflegst du des Fleisches wol
und läßt die Seel verschmachten?
Ists recht, daß man die Magd jetzt soll
mehr denn die Frau selbst achten?
Der Geist führt sonst das Regiment:
bei dir ist solches umgewendt,
das Fleisch den Geist regieret.

Gott selbst, der größte HERR und Held,
des Menschen Seel hoch schätzet
Und sie weit über alle Welt
und alle Himmel setzet:
Denn für wen hat Er seinen Sohn,
sein höchste Zierde, Freud und Kron,
ins Kreuzes Pein gegeben?

Traun! nicht dem Himmel, nicht der Erd
ist diß zu gut ergangen:
Des Menschen Seel, so teur und werth,
hat diese Gnad empfangen;
Die ist ein solch teur Pfand und Gut,
das ohne seines Sohnes Blut
nicht könnt erlöset werden.

Ist deine Seel so hoch vor Gott,
wie kannst du sie denn haßen
Und wagen hin, als wär es Koth,
den man findt auf der Gaßen?
Gedenk, daß Gottes liebster Sohn,
gestiegen von des Himmels Thron,
sie hat vom Tod errettet.

Denn als Er sie in schwerer Schuld
vom Teufel fand gebunden,
Und sie verdammet werden sollt
zur Höllen alle Stunden:
Vor Jammer ihm zerbrach sein Herz,
er weinte über ihren Schmerz,
davon sie selbst nichts wußte.

Ja, das noch mehr, so ließ er sich
um ihretwillen tödten,
Errettet‘ sie ganz kräftiglich
aus allen ihren Nöthen:
Sein Blutschweiß war das Lösegeld,
das Er, der Heiland aller Welt,
für sie baar ausgezahlet.

An dieses Opfer denke stets,
das für dich ist gegeben.
Nicht mehr so schlecht die Seele schätz,
thu Gott nicht widerstreben:
Schau doch, wie sehr war sie verwundt,
daß sie sonst nichtes heilen konnt,
denn Christi Blut und Striemen.

Wenn sie der Satan nicht zu Grund
der alles Unglück stiftet,
Durch List mit seinem Lügenmund
bis in den Tod vergiftet,
So hätte Gottes Sohn den Tod
und so viel Marter, Hohn und Spott
am Kreuz nicht leiden dürfen.

Darum, o Mensch, verachte nicht
das groß und schwere Leiden,
Das er für dich hat selbst verricht:
thu alle Bosheit meiden.
Schau doch, wie sich so treulich hat
des Sohnes Gottes Majestat
in Noth dein angenommen.

Hilf Gott, daß ich mein Lebenlang
diß alles recht bedenke,
Für deine Treu dir Lob und Dank
in tiefster Demuth schenke,
Daß ich von Sünden trete ab,
mein Herz bei dir im Himmel hab,
nach meinem Heil stets trachte.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder