Johann Heermann – Es gingen zween Menschen hin,

Es gingen zween Menschen hin,
die hatten beide einen Sinn,
im Tempel anzubeten.

Der erste war ein Ordensmann,
der fing für Gott zu prahlen an
und kam mit Stolz getreten.
Ich danke dir, sprach er zu Gott,
daß ich mein Herz durch Sündennot
gleich andern nicht beflecket.
Dort steht ein Zöllner bei der Tür,
er darf wie ich nicht gehn herfür,
sein’ eigne Sünd’ ihn schrecket.
ln Ehbruch hab ich nicht gelebt,
dem Raub und Unrecht widerstrebt,
ganz rein ist mein Gewissen.
Was dein Gesetze schreibet für,
hab’ ich getan: drum kannst du mir
den Himmel nicht zuschließen.

Der ander’ aus der Zöllner Schar
im Herzen sehr betrübet war,
mit lauter Angst umgeben.
Er fürcht’te Gottes Zorngericht,
darum wollt’ er die Augen nicht
hinauf gen Himmel heben.
Er schlug mit Reu’ an seine Brust
und sprach: O Gott, dir ist bewußt
der Greuel meiner Sünden!
Es ist mir alles herzlich leid:
erzeige mir Barmherzigkeit,
laß deinen Zorn bald schwinden!

Ist gleich des Zöllners Bosheit groß,
spricht ihn doch Christus frei und los.
Der Pharisäer bleibet
in seinen Sünden, weil er sich
vor Gott aufbläst so trotziglich
und alles ihm zuschreibet.
Denn wer sich selbst hoch setzen will,
mit seinen Werken prangen viel,
der muß zugrunde gehen.
Wer aber sich fein niedrig setzt
und schlecht mit Gottes Gnad’ ergetzt,
den will Gott selbst erhöhen.